Kröte des Monats Oktober 2011
Residenz 2011
40 S., € 19,90
Willy Puchner: Willy Puchners Welt der Farben
"Gewidmet allen Flaneuren, Spaziergängern und Reisenden."
Obwohl Willy Puchners neues Bilderalbum schon vor dem Schmutztitel das Moment der Bewegung ins Spiel bringt, ist es doch "in einer starken Phase der Sesshaftigkeit entstanden" – so der Illustrator, Autor und Fotograf in einem Interview (Anzeiger 9/2011. S. 11-12). Dieses statische Flanieren mag wohl mit der Schwerpunktsetzung dieser Sammlung zusammenhängen: Nach der Natur und den Tieren widmet sich der Künstler hier den Farben und ihrem Potential zur Imagination und damit zur Gedankenreise: Die Wahrnehmung einer Farbe löst verschiedenste Erinnerungen, Assoziationen und Stimmungen aus, die wiederrum an verschiedene Orte gebunden sind – einerseits konkret benannte wie New York oder Indien, andererseits solche, die universaleren Charakter haben wie Wüsten oder Eis. In Anlehnung an Goethes Farbenlehre reiht Willy Puchner Farben, Schattierungen und Kolorierungen, die er an diesen Orten gesammelt hat, aneinander und ergänzt sie um handschriftliche Passagen, kleine Figuren oder aquarellierte Hintergründe. Für jede dieserart verortete Seite bzw. Tafel entwirft er ein ganz eigenes Farbspektrum: Gletscherblau, Himmelblau, Blauwalblau und Eisblau sind etwa Farben der Antarktis.
"Ich habe immer gerne Farben gehabt, die in einem Farbkreis oder auf Farbkarten abgebildet sind. Das gibt mir, sozusagen im buchhalterischen Sinn, das Gefühl, eine abstrakte Auflistung der Welt zu sehen." Dieser im Buch sichtbare Prozess scheint fast wie umgekehrte Malerei: Willy Puchner malt kein Bild mit einer Farbpalette, sondern eine Farbpalette aus einem Bild; er dekonstruiert das gedankliche – gemäß dem Titel persönliche – Bild eines Ortes in seine einzelnen Kolorierungen. Diese immateriellen Mitbringsel sammelt und verknüpft er nicht nur mit sprachlichen Elementen wie Anekdoten oder Zitaten, sondern lädt auch sie selbst sprachlich auf, indem er alle Farben – und das bezeichnet der Künstler als schwierigsten Teil – benennt: "Ich in meinem Fall versuche, Farben zu erfinden. Ich erfinde aber natürlich nicht konkrete Farben, sondern nur die Namen."
Und diese werden ideenreich von Dingen, Zuständen, Personen, Tieren oder Pflanzen entlehnt: Deneuve-Blau als Farbe von Paris, Popocatépetl-Orange als Farbe des Vulkans, Lebkuchen-Braun als Farbe von Christmas-Island, Isis-Gold als Farbe von Ägypten oder Pfifferlinggelb als Farbe des Waldes.
In der Kombination des ordnenden, systematischen Zugangs mit einer solch ungezwungenen, behutsamen und sukzessiven Füllung seiner Seiten erschafft Willy Puchner einen kunstvollen Setzkasten aus Farben und Ideen. Ein tiefgründiges Bilderbuch, das seiner persönlichen Wahrnehmungswelt entstammt und einlädt, diese zu erforschen.
Christina Ulm
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