Kröte des Monats April 2011
Sauerländer 2011
32 S., € 15,40
Rolf Fänger/Ulrike Möltgen: Vom Anfang der Welt. Eine Schöpfungsgeschichte
Ein Bilderbuch schon am Vorsatzpapier ausschließlich in dunklen Schattierungen von Schwarz und Grau zu beginnen, ist ungewöhnlich. Umso mehr, wenn es sich um eine Schöpfungsge-
schichte handelt, deren kinderliterarische Varianten, von Ausnahmerscheinungen wie Bart Moeyaerts und Wolf Erlbruchs "Am Anfang" einmal abgesehen, sich oft auf beliebige Arrange-
ments von Pflanzen und Tieren beschränken. Ulrike Möltgen, die ihr Diplom bei Wolf Erlbruch gemacht hat, geht in ihren beeindruckenden Bildern einen anderen Weg: Die ersten Etappen der Schöpfung setzt sie in fast abstrakten Bildern um, in denen Tag und Nacht, Erde und Wasser, nur sehr zurückhaltend angedeutet werden. Je weiter die Schöpfung gedeiht, desto konkreter und mehr am Gegenständlichen orientiert werden auch ihre Bilder, die selbst bei der Darstellung der Tiere auf jede Niedlichkeit verzichten. Ebenso ungewöhnlich ist ihre Umsetzung der Menschen: In ihrer dunklen Drallheit erinnern Adam und Eva an die bekannten Südsee-Figuren Paul Gauguins. Während die biblische Vorlage kaum etwas über die Beweggründe und Entscheidungen Gottes aussagt, steht hier über allem die sichere Gewissheit eines großen Planes: Gott "wusste, wie alles werden sollte." Auch die Entscheidung der Menschen, sich bewusst gegen den Willen Gottes zu entscheiden, ist hier letztlich Teil seines Geschenkes an seine Geschöpfe: "Doch Gott wusste, was sie getan hatten, weil er selbst es so gewollt hatte. Er hatte Adam und Eva die Freiheit gegeben, sich zu entscheiden." In der Bibel endet die Schöpfungsgeschichte mit dem unwiderruflichen Verlust des Paradieses durch den Sündenfall. In dieser Variante hingegen wird am Nachsatzpapier, das ganz in leuchtenden Gelb- und Orangetönen gehalten ist und so den Bogen zum Beginn des Bilderbuches wieder schließt, eine ganz neue Perspektive angesprochen: Wenn die Menschen sich für das Gute entschei-
den, "können sie vielleicht sogar zurück ins Paradies und wieder eins werden mit dieser Welt und mit sich selber."
Der 2009 verstorbene Autor Rolf Fänger greift wesentliche Momente der bekannten Vorlage in einer schlichten, klaren Sprache auf, setzt aber in seinem Text auch neue, ungewohnte Akzente, die einer Auseinandersetzung sowohl mit dem Bibeltext als auch seiner (Bilderbuch-)Varianten neue Zugangsmöglich-
keiten eröffnen.
Kathrin Wexberg
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