Kröte des Monats Oktober 2010
Hoffmann und Campe 2010
40 S., € 16,50
Wolf Haas / Teresa Präauer: Die Gans im Gegenteil
Der Frage nach der modischen Gewandung von Bilderbuchfiguren gehört seit langem zu einem Lieblingsthema der STUBE. Mit seinem Erstlingsbilderbuch "Fridolin Franse frisiert" hat Michael Roher im Frühjahr das Interessensfeld erweitert und den Bereich der modischen Haartracht mit eingebracht, für den bereits Nadia Budde in "Eins Zwei Drei Tier" die Grundlagen gelegt hat: "Glatt Lockig Kraus Maus" hieß es dort in den minimalistischen (und preisgekrönten) Reimen. Auch der österreichische Erfolgsautor Wolf Haas hat sich dem Reimschema nicht verwehrt, wenn er den Fuchs mit Entsetzen eine frisurtechnische Indisposition feststellen lässt: "Dieser Fuchs lief zu schnell. / Darum wuchs sein Fell / in die falsche Richtung."
Indignierter Blick und mit heftigen Buntstiftringeln vorgetragene Verlockungen geben Zeugnis davon, als der Fuchs sich im Teich spiegelt. Sein Vollkommenheitsdrang ist in Unordnung geraten und schon folgen ihm die Bildanordnungen: Die klar begrenzten Bilder verrutschen innerhalb der Doppelseiten, scheinen auf dem Kopf zu stehen, wenn der Fuchs verzweifelt zetert:
"Wie unsympathisch! Diese Schämfrisur / macht automatisch / eine Problemfigur!"
Doch als er schon sein wehleidig-männliches "Ich bin verloren!" in die Welt schreit, kommt das der Gans zu Ohren, die im Schnatterton ihre Hilfe anbietet:
"Ich kann's! / Ich bin die Gans! / Ich mach es wieder heil. / Ich bin die Gans im Gegenteil."
Ein simpler Umkehrschluss jedoch führt hier nicht zum Ziel. Das Wechseln der Windrichtung ("Er rennt los / arschvoran / und virtuos / so schnell er kann.") bringt nicht den erhofften Erfolg. Erst die Radikalkur des Wellenkamms (der in anderer Variante des Wortspiels auch bei Michael Roher zum Einsatz kam) zeigt, dass die Gans weder singen noch föhnen kann; doch wenn sie schnattert und "zum Rettungseinsatz flattert" darf man auf Erfolg hoffen. Außer natürlich, auch ihre Flugbahnen geraten durch Bilddrehungen außer Kontrolle …
Wolf Haas hat bereits als Werbetexter seine Lust daran unter Beweis gestellt, die Sprache auf den Punkt zu bringen. Und auch in den Brenner-Texten war ihm ein spezifisch österreichischer Versuch, die Sprache auf Klang und Wortbedeutungen hin zu befragen, eigen – mit dem er nun im kinderliterarischen Bereich die Tradition des Sprachspiels fortsetzt und die Freude am Sinnentleerten auf ebenso kluge wie witzige Weise zelebriert. Als Illustratorin gewinnt er die Salzburger Künstlerin Teresa Päauer, die – ebenfalls neu im Bilderbuchbereich – zeigt, dass die wilden Linien von Buntstiften allemal der braven Konturierung von Figuren vorzuziehen ist.
Obwohl auf dem Badeschiff in Wien präsentiert, ist Wolf Haas' erstes Bilderbuch mitnichten ein Schlag ins Wasser – schon allein deswegen, weil er es ohne den seinen Autorenkollegen aus der Allgemeinliteratur so gerne eigenen Gestus der Liebenswürdigkeit gegenüber einer intendierten Zielgruppe präsentiert.
Heidi Lexe
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