Kröte des Monats Juli
2009
Ravensburger 2009
224 S., € 15,40
Marlene Röder: Zebraland
Zebraland ist abgebrannt: Eine Jugendliche ist tot und vier weitere stehen vor den Scherben ihrer Illusionen. Ein Autounfall, unterlassene Hilfeleistung, Fahrerflucht, Vertuschung. Der im Hintergrund laufende Soundtrack dazu stammt von Bob Marley, denn: Babylon ist überall. "Wir sind darin gefangen und es saugt uns aus wie ein Vampir."
In ihrem nunmehr zweiten Jugendroman bedient sich Marlene Röder einer erfolgreichen dramaturgischen Grundkonstellation: vier Jugendliche schwören einander zu, über den Unfall, den sie verursacht haben, nie wieder zu sprechen. Anders als in "ich weiß, was du letzten Sommer getan hast", holt die vier Jugendlichen jedoch nicht wortwörtlich der Horror jener Nacht ein, in der sie auf dem Rückweg von einem Musikfestival eine Mopedfahrerin angefahren, für tot gehalten und im Straßengraben haben liegen lassen; vielmehr sehen sich die Vier mit einer höheren Instanz konfrontiert, die sie scheinbar erpresst, in Wahrheit aber Gerechtigkeit fordert.
Immer tiefer geraten Ziggy, Phil, Anouk und Judith ins Zebraland – ein Chiffre, das Marlene Röder für jenen Erkenntnisraum nutzt, in dem sich insbesondere die beiden Ich-Erzähler*innen Ziggy und Judith Orientierung zu schaffen versuchen und doch immer mehr verlieren. Judith, Redakteurin der Schülerzeitung, wird von den Brüdern des beim Unfall getöteten Mädchens gebeten. Licht ins Dunkel jener Nacht zu bringen. Sie, die sich in der investigativen Tradition der Reporter ohne Grenzen sieht, ist nicht nur in ein Verbrechen verstrickt, sondern nimmt auch noch an dessen Vertuschung teil, obwohl sie es doch eigentlich aufklären sollte.
Ziggy hingegen hat vom Unfallort die Handtasche des Mädchens mitgenommen; er findet darin deren Tagebuch und beginnt sich in das Leben des Zebramädchens einzulesen und einzuleben. Am Zebragehege, dem Lieblingsort des toten Mädchens kommt es letztlich auch zum Showdown, wenn der Erpresser von den Jugendlichen verlangt, das Töten eines Lebewesens noch einmal in vollem Bewusstsein nachzuvollziehen und damit ihr Handeln zu sühnen.
Erzählen lässt Marlene Röder abwechselnd Judith und Ziggy – wobei der Roman insgesamt als mündliches Geständnis des Rastamans Ziggy angelegt ist und daher ein wenig fraglich bleibt, wie sich die Ich-Erzählerin Judith in den mündlich formulierten Rückblick von Ziggy schleichen konnte. Die deutlich an das (dort sehr gelungene) Erzählkonzept von Marlene Röders erstem Roman „Im Fluss“ angelehnte Form scheint durch die Abweichung der narrativen Instanz der Binnenhandlung von jener der Rahmenhandlung nicht nur unschlüssig, sondern auch deutlich überlastet.
Auch dann, wenn Judith für den Leser/die Leserin sicher die spannendste der vier Hauptfiguren bleibt und mit ihrem alttestamentarischen Namen mitten hinein ins zentrale Erzählmotiv verweist. Der Erpresser nämlich nennt sich Mose und fordert von den Jugendlichen Gerechtigkeit im Sinne der alttestamentarischen Gebote: Du sollst nicht töten. Du sollst nicht lügen. "Mose is watching you" heißt es für Ziggy, Phil, Anouk und Judith. Doch wie herausfinden aus Zebraland?
Heidi Lexe
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