Kröte des Monats Jänner 2009
Aus dem Franz. von Bernadette Ott
dtv 2008
192 S., € 7,20
Valérie Zenatti: Leihst du mir deinen Blick? Eine Freundschaft zwischen Jerusalem und Gaza
Weltpolitisch gesehen, hat das Jahr 2009 nicht friedlich begonnen, sondern mit dem Wieder-Aufflammen des Nahostkonflikts in neuer Brutalität. Anlass für die STUBE, ein Buch zur Kröte des Monats zu machen, das diesen in seiner Vehemenz und scheinbaren Unlösbarkeit für uns so schwer begreifbaren Konflikt auf anschauliche Weise in Form eines E-Mail Romans beleuchtet: „Leihst du mir deinen Blick?“ ist 2006 im Verlag Dressler erschienen, im Herbst 2008 kam bei dtv eine Taschenbuchausgabe heraus.
Das Buch beginnt aus der Sicht von Tal: Sie ist siebzehn, ein ganz normales junges Mädchen mit allen entsprechenden Freuden und Sorgen – doch Tal lebt in Jerusalem und ist immer wieder mit den ganz konkreten Auswirkungen des Nahostkonflikts auf ihren Alltag konfrontiert. Ein Selbstmordattentat in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft erschüttert sie so sehr, dass sie endlich etwas tun möchte, irgendein Zeichen setzen, um die Kluft zwischen Israelis und Palästinenser*innen zu überwinden. Sie schreibt einen Brief, den ihr Bruder, der als Soldat im Gazastreifen stationiert ist, ins Meer werfen soll und hofft auf eine Antwort von einem palästinensischen Mädchen, die in eine Freundschaft und damit eine Annäherung zwischen den verfeindeten Völkern münden könnte. Soweit das Ausgangsszenario, das durchaus Potential zu Kitsch und Pathos hat. Doch durch das E-Mail, das sie als Antwort erhält, wird dieses Szenario radikal gebrochen: Denn die Antwort stammt nicht von einem Mädchen, sondern von einem jungen Mann, der sich „Gazaman“ nennt. Er verbittet sich durchaus aggressiv ihre etwas naiven Vorstellungen einer völkerübergreifenden Freundschaft, für ihn ist klar, dass von israelischer Seite nichts Gutes kommen kann und ein verwöhntes israelisches Mädchen nie verstehen wird, was er erlebt. Aber Tal möchte verstehen. Sie lässt nicht locker, und in vielen E-Mails nähern sich die beiden langsam einander an. Der erzählerische Wechsel zwischen E-Mails und inneren Monologen der beiden macht den Kontrast zwischen dem, was sie bereit sind, einander preiszugeben und ihren tatsächlichen Gedanken und Gefühlen sichtbar. Es ist keine Liebesgeschichte á la Romeo und Julia, die sich schließlich zwischen den beiden entwickelt, eigentlich nicht einmal eine Freundschaft – und doch entwickelt sich etwas, das vielleicht ein kleiner Beitrag zum Frieden sein könnte.
Kathrin Wexberg
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