Kröte des Monats Februar 2008
Aus dem Französ. von Antoinette Gittinger
Illustriert von Rébecca Dautremer.
cbj 2008
92 S., € 20,60
Philippe Lechermeier: Prinzessinnen.
Eine Spur aus Erbsen erstreckt sich über das majestätische Rot des Vorsatzpapiers. Doch schon der Innentitel beendet jäh das farbkräftige Stillleben: Eine betont missmutig dreinschauende Prinzessin hebt Unterröcke, Kleid und Stiefel und betrachtet das Erbsenmus auf der Unterseite ihres Schuhs. Außerdem wird auf eine in Vergessenheit geratene Variante des gemüsehaltigen Märchens hingewiesen: „Darin wird die Prinzessin von einem Menschenfresser verschlungen. Weil er ein Feinschmecker ist, ergänzt er seine Mahlzeit durch Erbsen. Prinzessin auf Erbsen ist in diesem Fall der Name eines Kochrezeptes.“
Was in dieser Enzyklopädie der vergessenen und ignorierten Prinzessinnen von der ersten Seite an betrieben wird, gleicht im wahrsten Sinne des Wortes einer Dekonstruktion des allgemein verbreiteten Bildes einer Königin in spe:
Angefangen von Prinzessin Boogie-Woogie…
„Einige sagen gehässig, ihre Kleidung sei kitschig, schlampig oder gar lässig. Darüber zuckt sie nur die Schultern und lässt die Banausen ohne Sinn für Originale einfach sausen.“
…über Prinzessin Larifari…
„Ihr Gerede hat weder Anfang noch Schluss, ist alles andere als ein Genuss. Sie unterbricht, kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen, doch zum Thema gehört das alles nicht.“
…bis hin zu Prinzessin Amnesie
„Sie verpasst Verabredungen, erreicht nie pünktlich den Zug – und damit nicht genug, kommt sie eine Woche zu früh oder drei Tage zu spät ins Theater.“
Und auch die berühmtesten Vertreterinnen ihrer Zunft bleiben nicht unangetastet: So wird die verräterische familiäre Zugehörigkeit von erwähnter Prinzessin Amnesie und Aschenputtel aufgedeckt („Sie war so vergesslich, dass sie sogar die zwölf Glockenschläge um Mitternacht verpasste“) und auch die Verwandtschaft von Dornröschen und Prinzessin Wölkchen aus der Familie der Faulpelzkönige ans Licht gebracht („Wegen eines läppischen Stichs legt sie sich hundert Jahre zur Ruh’“). Zwischen den doppelseitigen Profilen der 34 Prinzessinnen werden zentrale Bestandteile eines jeden Jungmonarchinnenlebens erläutert und ins rechte Licht ihrer wahren Bedeutung gerückt. Neben Informationen zu ihren Vertrauten, Reisen und Haustieren bekommt man hier ebenso das internationale Fächeralphabet einen Leitfaden für angehende Nachwuchsköniginnen und die Grundregeln der monarchischen Form des Schmollens ans Herz gelegt.
Jede der ironisch-skurrilen Charakterstudien im Kleinformat birgt zahllose Ansätze, um die angerissenen Hintergründe der Figuren selbst mit weiterem Leben zu füllen. Sprichwortsammlung, Bibliografie, Glossar sowie alphabetisch und thematisch geordneter Index machen das vor sprachlichen und grafischen Leckerbissen nur so überschäumende Bilderbuch zu einem wahrhaft königlichen Vergnügen.
Lukas Bärwald
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