Kröte des Monats April 2007
Aus dem Französ. von Tobias Scheffel.
Fischer Schatzinsel 2007.
Wien:
G & G Kinder- & Jugendbuch 2005.
212 S., € 14,90
Ab 12 Jahren.
Marie-Aude Murail: Simpel.
Ein Stofftier, das in unbeobachteten Momenten lebendig wird und allen möglichen Unfug anstellt, für den sich sonst niemand verantwortlich fühlt – eine Situation, die im Alltag mit Kindern nicht selten vorkommt und die von Bill Waterson in seinen Comics von Calvin und Hobbes in unzähligen komischen Varianten dargestellt wird. Hier ist es kein Stofftiger, sondern ein Hase mit dem klingenden Namen Monsieur Hasehase, der immer wieder für Aufregung sorgt. Doch er gehört keinem Kind, sondern einem Zweiundzwanzigjährigen namens Simpel, der durch seine geistige Behinderung etwa auf dem Entwicklungsstand eines Dreijährigen ist. Sein eigentlich jüngerer Bruder Colbert erträgt es nicht, dass Simpel in einem Heim leben muss und beschließt daher, die Verantwortung für ihn zu übernehmen. Die beiden ziehen in eine Student*innen-WG – ein sehr spezielles Lebens- und Liebesmilieu, das Simpel mit seinen Besonderheiten ganz gehörig durcheinander bringt. Mit viel Situationskomik und Witz werden die daraus entstehenden Komplikationen geschildert, jene Szenen, in denen Simpel mit Monsieur Hasehase allein ist, werden jedoch ganz konsequent aus seiner Sicht, mit seinem eigenen Blick auf die Welt erzählt:
Monsieur Hasehase ging es nicht gut. Er machte „orrggh, orrgghh“ und hielt sich den Bauch, dann hatte er Schluckauf und Krämpfe. „Spuckst du?“ „Nein, ich karotze.“. Monsieur Hasehase wollte nichts so machen wie normale Leute. „Ich hab fieberheiß“, sagte er. „Muss der Doktor.“ (S. 123)
Die spezielle Sprache Simpels stellte wohl besondere Anforderun-gen an die Übersetzung, für die wesentliche Impulse in einem Übersetzungsworkshop im Rahmen des „Prix des lycéens alle-mands“ entstanden, bei dem die jugendlichen Mitglieder der Jury mit dem Roman von Marie-Aude Murail arbeiteten, der auf der Leipziger Buchmesse 2006 mit diesem Preis ausgezeichnet wurde. Mit Simpel und Colbert hat die Autorin ein ganz besonderes jugendliterarisches Brüderpaar geschaffen, deren Zusammenleben alles andere als „simpel“ ist – und bei allen Schwierigkeiten doch auch Momente von besonderer Wärme und Zuneigung hat.
Kathrin Wexberg
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