Kröte des Monats Jänner 2007
Jürg Schubiger und Franz Hohler:
Aller Anfang
Ill. v. Jutta Bauer.
Weinheim: Beltz&Gelberg
2006, 125 S., € 16,90
Jürg Schubiger / Franz Hohler / Jutta Bauer: Aller Anfang.
„Nach einem gewaltigen Knall hing die Erde wie blöd im Weltall und versuchte sich zu erinnern, wo sie hergekommen war.“
Ein unbestimmten Zwischenstatus, von dem noch keiner weiß, wie lange er anhalten wird, denn: „Es dauerte noch lange, bis die Menschen den ersten ganzen Satz aussprechen konnten.“
Die Zeit bis dahin verkürzen zwei Autoren, deren besondere Gabe darin liegt, sich solchen Zwischenstadien in kleinen Sprachvarianten anzunähern. Das scheinbar längst Geklärte wird zurück ins Unbestimmte gestellt – um dann auf humorvolle Art ganz neu begründet zu werden. Wie simpel erscheinen da plötzlich die Antworten auf Fragen, die die Menschen seit Generationen umgetrieben haben! Doch ist die Geschichte über die Gemüsekiste voller Erbsen, die Gott eines Tages bekommen hat, nicht weit plausibler als jede andere Weltwelterschaffungs-theorie?
Und so führen die Geschichten vom Anfang zurück in jene Zeit, als die Welt noch jung oder gar nicht erst vorhanden war, als die Dinge noch keinen Namen hatten, Gott noch durch das Nichts streifte und Mutter Erde noch am Pöbeln war. In ihren reduziert gestalteten Illustrationen setzt Jutta Bauer gekonnt die Ahnungslosigkeit um, mit der die Lebewesen zu dieser Zeit auf die Erde – und aufeinander – trafen.
Es entsteht ein bibliophil gestalteter Band, in dem den großen mythischen Erzähltraditionen kleine Schöpfungssplitter gegenüber gestellt werden – so, als würden beim Schleifen des Weltenmetalls winzigkleine Teilchen Funken sprühend durch die Luft stoben. Gemeinsam ergeben diese Teilchen ein oszillierendes Erzählpanorama – und repräsentieren eine ungewöhnliche literarische Korrespondenz, denn die beiden Schweizer Autoren erzählen abwechselnd. Ein Hin- und Her, das einen Schriftwechsel der besonderen Art ergibt:
„Wir spielten zusammen ‚Schöpfung’ wie Gott und sein Gegenspieler in meiner Geschichte vom bösen Teufel. Warst du dabei der Teufel oder war ich es – oder war es doch ganz anders?“ formuliert Jürg Schubiger in einem an das Ende des Bandes gestellten Brief an Franz Hohler.
Wer würde bei diesem hochklassischen literarischen Spiel nicht noch einmal zurück an den Anfang wollen?
Heidi Lexe
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