Kröte des Monats Dezember 2006
Heinrich Heine
Loreley
Ill. v. Aljoscha Blau.
Berlin: Kindermann 2006,
20 S., € 15,00
Heinrich Heine: Loreley
Ill. v. Aljoscha Blau. Berlin: Kindermann 2006
Wer heutzutage ein Gespräch aufschnappt, in dem es um eine Loreley geht, darf in den seltensten Fällen davon ausgehen, dass hier deutsches Kulturgut verhandelt wird. Vielmehr bleibt zu vermuten, dass es sich bei dem Gespräch um Lorelai handelt und gerade das Neueste aus der Serie „Gilmore Girls“ besprochen wird.
Und doch ist auch die andere, die eigentliche Loreley nicht vergessen – jene unheilbringende Schönheit, die kraft ihres Gesanges die Schiffer in ihren Bann zieht: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten ...“ Die Worte klingen in uns nach und sei es nur, weil wir nie verstanden haben, wieso wir in der Schule Balladen wie diese auswendig lernen mussten. Die bewährte Reihe, die sich der Weltliteratur für Kinder annimmt, befreit Heinrich Heines traurigen Sprachgesang aus seiner Verzweckung und stellt ihn als Bilderbuchgeschichte in neuen Kontext: Ein Ausflugsschiff bricht zum Loreley-Felsen auf und ohne dass diese Tatsache explizit angesprochen würde, beginnt der Kapitän wohl jene Geschichte zu erzählen, die in eine entrückte Sagenwelt entführt. Aljoscha Blau taucht diese doppelseitig ausgebreitete unbegreifliche Welt in gleißend oranges Licht, das sich im herabfallenden Haar des Mädchens am Felsen spiegelt. Gemeinsam mit dem Kapitän und der kindlichen Hauptfigur durchlebt man gleichsam das erzählte Geschehen, fühlt sich hineingestellt in jene traum-haften Ereignisse. Am Ende der eindringlichen Bildinterpretation findet sich ein Nachwort zur Ballade, deren historischem Hintergrund und natürlich zu Heinrich Heine. Und bevor uns die Wellen ganz und gar verschlingen, können wir uns ja rasch auf das sichere Land der nächsten Folge der „Gilmore Girls“ retten ....
Heidi Lexe
>>> hier geht es zu den Kröten 2006