Kröte des Monats Februar
2005
Ausgewählt
und zusammengestellt von Manfred Mai. Illustriert von Stefanie Harjes.
Ravensburg:
Ravensburger Buchverlag 2005.
251 S., € 16,95
Ab 11 Jahren.
Manfred Mai (Hg.): Das Literatur-Lesebuch. Deutsche Literatur aus 10 Jahrhunderten.
Kaffehausliteratur ist ein in Wien durchaus gängiges Genre - obwohl sich der Begriff in unserer bisherigen Wahrnehmung eher auf die Entstehungsgeschichte von Texten bezogen hat denn auf deren Rezeption. Umso erfreulicher, dass ein "Literatur-Lesebuch" mit beigelegtem Kaffeeheferl beworben wird; obwohl: Der Präsentation von deutscher Literatur aus 10 Jahrhunderten in einem eleganten Zweihundertfünfzigseitenband lässt eine derartige tour de force vermuten, dass permanente Koffeinaufnahme unerlässlich scheint. Doch weit gefehlt! Manfred Mai ermöglicht es mit seiner Auswahl, die den Bogen vom mittelalterlichen Minnesang bis zur jungen deutschen Literatur einer Karen Duve spannt, in die Vielfalt literarischer Gestaltungsformen hineinzuschmecken und dabei einen ersten Eindruck von jenen Autor*innen zu bekommen, die als kanonisiert gelten (darunter auch die Österreicher*innen Ernst Jandl, Erich Fried, Ingeborg Bachmann und Robert Schneider sowie einige Schweizer: soweit zur "deutschen Literatur" ...). Ein jugendliches Zielpublikum hält er dabei thematisch ebenso im Blick wie den Anspruch der literaturhistorisch repräsentativen Textauswahl. Entscheidenden Anteil daran, dass ein bildungsbürgerlicher Anspruch wie dieser mit deutlicher Eleganz verfolgt werden, haben jedoch die Illustrationen von Stefanie Harjes: Sie bezeugen mit feinem Strich, dass unter einem Lesebuch kein Papierklotz verstanden werden muss, dessen grafischer Höhepunkt im Schülergekritzel am Seitenrand liegt. Zahlreiche freigestellte Figuren und Vignetten lassen die jeweiligen Texte immer ein wenig aus der Zeit fallen, ironisieren und nehmen deren Grundaussagen doch gleichermaßen ernst. Wenn also Leonce zu Valerio meint: "Unglücklicher, Sie scheinen auch an Idealen zu laborieren.", dann kann er damit nicht die Lektüre dieses Bandes im Blick haben. Und das obwohl die beigelegten Kaffeeheferln nur für die Rezensent*innen und nicht für den freien Verkauf gedacht sind. *kleines ätsch*
Heidi Lexe
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