Anna Wills und Nora Tomm: Wimmelbuch der Weltreligionen

Ein Einblick in Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Christentum und Islam auf der ganzen Welt – keine geringe Herausforderung, erst recht für ein Wimmelbuch! Jeder der fünf Weltreligionen wird in Anna Wills und Nura Tomms Wimmelbilderbuch eine Doppelseite gewidmet, die zentrale Bräuche, Bauten und Feste der jeweiligen Religion in Szene setzt. Eine sich über die Seiten hinweg fortschreibende Geschichte, wie man sie aus vielen Wimmelbüchern kennt, sucht man zwar vergebens, dafür greift das beiliegende 13-seitige Booklet je 40 Szenen aus den üppigen Wimmelbildern heraus und versieht sie mit informativen Kurztexten. Und auch die fünf Religionen stehen nicht isoliert nebeneinander. Der interreligiöse, dialogische Austausch wird nicht nur auf jeder Doppelseite mehrfach inszeniert, sondern prägt programmatischerweise auch das Buchcover. Beachtenswert ist auch die konsequente Darstellung der Vielfalt innerhalb der Weltreligionen. Jedes Bild zeigt sich als ein buntes Kaleidoskop unterschiedlichster Altersgruppen, Kulturen und Ethnien. Ein informatives und vielseitiges Porträt der fünf Weltreligionen für Klein und Groß.
Beltz & Gelberg 2019.
14 S.+ Booklet.

Manfred Mai: Wir leben alle unter demselben Himmel. Die 5 Weltreligionen für Kinder

Warum werden Kühe im Hinduismus verehrt? Was ist ein Zakat? Woran erinnert das Lichterfest? Diese und viele andere Fragen rund um die Weltreligionen werden hier fachkundig und altersadäquat beantwortet. Warum wird der Gott etwa im Islam anders angesprochen als im Christentum oder Judentum, und was ist der Unterschied zwischen Weihnachten und Chanukka? Es wird dabei kaum etwas ausgespart: Beerdigungsriten werden ebenso behandelt wie religiöse Praktiken. Eine Weltkarte verschafft Überblick und die Möglichkeit zur geographischen Verortung der größten Religionen, die schlichten aber ausdrucksstarken Illustrationen ergänzen die in narrativem Stil erzählten Fakten. Durch prägnante Fragen, die dem Fließtext zur Seite gestellt werden, wird rasch Orientierung ermöglicht. So bietet sich das Buch auch als Nachschlagewerk an. Das zentrale Aliegen wird im Vorwort formuliert: "Und wenn sich anders- gläubige Mitschüler, Freunde und Nachbarn besser kennen-lernen und Verständnis füreinander entwickeln, werden sie vielleicht feststellen, dass ihre Religionen – wie die großen Religionen überhaupt – viel mehr gemeinsam haben, als sie dachten."
Hanser 2016.
150 S.



Mirjam Pressler: Nathan und seine Kinder

Die Ringparabel von Gotthold Ephraim Lessing zeigt eindrücklich, wie ein Mit- und Nebeneinander der drei monotheistischen Weltreligionen funktionieren kann. Die Form des Dramas ist mitunter aber etwas sperrig, weswegen Mirjam Pressler den Text adaptiert und für jugendliche Leser*innen verständlicher arrangiert hat. Neben ihrer altersadäquaten Sprache besticht die Autorin mit Modifikationen in Aufbau und Personenkonstellation; den wohlbekannten werden fünf weitere, unabhängige Figuren an die Seite gestellt, die den Plot noch verdichten. Mehrperspektivisch wird aus den verschiedenen religiösen Traditionen heraus ein Blick auf das Geschehen geworfen, wobei die Ringparabel stets im Zentrum bleibt, die Message von der Autorin aber noch viel intensiver aufgegriffen und heraus- gestrichen wird: Ich habe einen Traum, dass sich eines Tages die Menschheit erheben und die wahre Bedeutung ihres Glaubens-bekenntnisses ausleben wird. Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Söhne von Juden, Muslimen und Christen miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können. Ein Traum, der nicht nur 1783 – zur Zeit der Entstehung von Lessings Drama – relevant war, sondern auch heute seine Gültigkeit behält.
Beltz & Gelberg 2016.
257 S
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Antonie Schneider und Pei-Yu Chang: Wem gehört der Schnee? Eine Ringparabel

An ein noch deutlich jüngeres Lesepublikum ist dieses Bilderbuch gerichtet, das ebenfalls eine Variation der Ringparabel darstellt. In Jerusalem schneit es, was an sich schon als ein Wunder aufgefasst werden kann. Nachdem sich zunächst das Kamel darüber wundert, wird auf Bild- und Textebene das wechselnde Erscheinungsbild der Stadt thematisiert. Der Schnee wird vorerst geschwisterlich zwischen einem jüdischen, einem christlichen und einem muslimischen Kind geteilt, dann wird der titelgebenden Frage nachgegangen, wem dieses weiße Etwas, das vom Himmel fällt, denn eigentlich gehöre? Dem jüdischen, christlichen oder islamischen Gott? Mit dieser Frage wird zu den Gelehrten der jeweiligen Religion – Rabbi, Priester und Imam – geeilt. Auf kindliche Weise wird die Frage nach einem friedvollen Mitein-ander für jüngere Leserinnen und Leser aufgegriffen und aufbereitet. Illustratorisch arbeitet dieses Bilderbuch mit Collagen und dem Erscheinungsbild der Stadt Jerusalem. Durch unter-schiedliche Symbolgebungen an den Hausmauern sowie die Umgebungen der geistlichen Begleiter kommt auch bildlich die interreligiöse Komponente ein Stück weit zu tragen.
NordSüd 2019.
25 S.




Manfred Theisen: Checkpoint Jerusalem. Eine Liebe in Zeiten des Terrors

Es ist ein Zufall, der die Jüdin Maja und den Palästinenser Amer zusammenführt. An einem Straßenrand kurz vor dem Checkpoint Richtung Jerusalem begegnen sich die beiden zum ersten Mal. Aus ihrer anfänglich zurückhaltenden Sympathie füreinander entwickelt sich inmitten eines aufgehetzten, von Misstrauen und Hass geprägten Klimas in Jerusalem eine zerbrechliche Beziehung – gegen den Willen ihrer Familien. Die Liebes-geschichte wird in knappen Sequenzen, die in ihrer Dynamik an ein Drehbuch erinnern und anschauliche Bilder des Schauplatzes wecken, in einfacher Sprache im Präsens erzählt. Neben der Annäherung der beiden doch so fremden Jugendlichen schildert Manfred Theisen nachvollziehbar die komplexe politische Realität im Nahen Osten und hilft bei der Einordnung mit einem ausführlichen Glossar. Lebendig wird der krisenhafte Alltag in den vielen Diskussionen, die Maya und Amer über den Krieg und die Attentate führen – und über die entsprechenden Aus- wirkungen auf ihr jeweiliges Leben. Die Geschichte ist auch als Variation auf „Romeo und Julia“ lesbar; der Autor arbeitet diesen Gedanken konsequent durch und zeigt auf, dass Liebe allein leider nicht immer ausreicht, um (politische) Grenzen zu über-winden. Die Beziehung muss letztlich scheitern und doch kommt es – wenn auch zu einem anders erwarteten – Happy End.
cbt 2016.
221 S.

Guy Delisle: Aufzeichnungen aus Jerusalem

Jerusalem ist ein Traum, den Myriaden träumender Menschen gleichzeitig träumen.
Was der Poet Amir Gilboa feststellt, zeichnet sich auch in dieser Graphic Novel markant ab: Guy Delisle bildet seinen einjährigen Aufenthalt in der Heiligen Stadt in einer subjektiven Mischung aus Reportage und Reisetagebuch ab. Jerusalem wird dabei als Schmelztiegel kultureller, politischer und religiöser Bewegungen charakterisiert und damit das von Christentum, Judentum sowie Islam gleichermaßen geprägte Erscheinungsbild der Stadt aufgezeigt. Eine Pluralität, die in den Medien oft nur negativ wahrgenommen wird. Nicht so hier: Zwischen Jom Kippur und Ramadan, Ölberg und Checkpoint, Felsendom und al-Aqsa-Moschee und dem interreligiösen Treiben auf den Märkten der Altstadt erzählt Guy Delisle von den Schwierigkeiten seines Alltags, aber auch von der Faszination dieser vielfältigen Stadt. Der Text ist reflektiert und durch einen ironischen Ton ge-brochen. Die (farb)reduzierten Bilder beweisen pointierte Situationskomik und zeigen, dass Jerusalem so viel mehr als Leid ist.
Aus dem Franz. v. Martin Budde.
Reprodukt 2012.
334 S.




Titus Müller: Der Kuss des Feindes

Ort: Kappadokien, Zeit: 800 nach Christus. Muslime und Christ*innen erheben gleichermaßen Anspruch auf das Gebiet und stehen im ewigen Konflikt zueinander. Die Muslime oder Araber*innen leben in ihrer Zeltstadt, vergiften nahezu alle Brunnen, um die in ihren Augen Ungläubigen endgültig aus dem Gebiet zu vertreiben, und versuchen deren Versteck auszu-forschen. Die Christ*innen leben zurückgezogen in einem Berg / unter der Erde in ihrer geheimen Stadt Korama, haben hier Schaf- und Ziegenställe und versuchen, von den Araber*innen nicht entdeckt zu werden. Der Kampf zwischen den Religionen respektive Kulturen ist unerbittlich. Arif aus dem arabischen Lager und die Christin Savina sind die große Ausnahme. Sie sind neugierig auf die jeweils andere Lebensweise und hinterfragen den jahrzehntelangen Kampf, der ihr Leben bestimmt. Die beiden kommen sich näher und versuchen zunehmend, die Kultur des / der anderen zu verstehen. Zweiperspektivisch werden die beiden Hauptfiguren dabei begleitet, wie sie sich immer mehr emanzi-pieren und zunehmend von ihren Familien, den festgelegten Regeln und strikten Überzeugungen distanzieren. Sie ent-scheiden sich gegen den Krieg und für die Liebe, wenngleich dies nicht ohne Folgen geschieht. 
Fischer Schatzinsel 2012.
282 S.

Holly-Jane Rahlens: Prinz William, Maximilian Minsky und ich

Nelly Sue Edelmeister ist ein klassischer „Nerd". Spindeldürr und buchverliebt war sie bisher ausschließlich an Kosmologie interessiert. Doch dann erblickt sie im Fernsehen Prinz William und verfällt sofort in unsterbliche Liebe. Ihre Mutter ist während-dessen der Ansicht, dass sie sich nicht mit königlichen Websites, sondern vielmehr mit dem Hebräischunterricht und der Lektüre der Thora beschäftigen sollte, denn schließlich steht ihre Bat-Mizwa (jenes Ritual, das im Judentum den Übergang zum Erwachsenwerden markiert) kurz bevor. Doch wie das Leben so spielt, drängen aus allen Ecken und Enden Dinge, die den Alltag zum furios durcheinandergeratenen Chaos machen: Das Scheitern der elterlichen Ehe, der Verlust einer großmütterlichen Vertrauten, aber auch die Begegnung mit Maximilian Minsky, der seinem schaurigen Aussehen zum Trotz dem angehimmelten Prinzen doch einiges voraus hat… Temporeich erzählt die in Berlin lebende New Yorkerin Holly-Jane Rahlens eine Liebes-geschichte und Verwicklungskomödie, in der die jüdische Identität scheinbar im Gegensatz zur Sehnsucht nach dem Märchen-prinzen steht. Letztlich gelingt aber das Miteinander des jüdischen Rituals der Mündigkeit, eigener Gedanken und der Erkenntnis, dass der ganz reale Minsky weit mehr Reiz hat als der Prinz.
Rohwolt 2002.
211 S.


Christine Fehér: Anders frei als du

Malina ist das Partygirl in Person, bis sie auf eine ihr noch unbekannte Welt trifft: die des Islams. Eine intensive Auseinandersetzung beginnt und ihr Leben wird völlig umgekrempelt. Das Nebeneinander von Christentum und Islam, deutschem Partygirl und Muslima sowie Selbst- und Fremdwahrnehmung eröffnet eine andere Sicht auf eine Kultur, die Teil des täglichen Lebens ist. Erfreulich ist dabei der Umstand, dass die so oft getroffene problematische Gleich-setzung von Islam und Islamismus hier nicht stattfindet, sondern vielmehr die inner-religiöse Abgrenzung von solchen Phänomenen hervorgehoben wird. Gleichzeitig wird aber auch thematisiert, wie Malina gesellschaftlich in ihrer neuen Rolle als Mädchen mit Kopftuch wahrgenommen wird.
Der Roman regt zum Nachdenken und Reflektieren (der Gesellschaft, aber auch der eigenen Religiosität) an und schafft mit Malina eine Figur, die ihr Leben eigenständig verändert und sich in einem ihr kürzlich noch unbekannten Umfeld neu erfindet. Dabei werden Vorurteile gegenüber muslimischen Menschen ebenso thematisiert wie die bedeutende Rolle der Familie und die Geborgenheit, in der sich Malina letztendlich wiederfindet.
cbt 2016.
286 S.

Kristina Aamand: Wenn Worte meine Waffe wären

Die 17-jährige muslimische Sheherazade lebt im „Ghetto” der Stadt, wo es oberste Priorität ist, nicht „auf den Spitzen der Zeigefinger der Nachbar*innen“ zu landen (so auch der dänische Originaltitel). Ihr Vater leidet immer noch unter den Folgen des Krieges und wird zu Beginn des Romans mit Herzproblemen ins Krankenhaus eingeliefert. Ein Ereignis, das auch den Anfang von Sheherazades innerer und äußerer Rebellion markiert: Denn dort lernt sie Thea kennen, zu der sich eine ganz besondere und folgenschwere Freundschaft entwickelt. Zunehmend versucht sich die Protagonistin von ihrer Familie zu empanzipieren, was nicht so recht gelingen mag.
Bemerkenswert und erfrischend ist, dass ausnahmsweise nicht der Vater die vehemente Einhaltung der Regeln vertritt sowie ahndet, sondern von der Autorin als liberal und verständnisvoll gezeichnet wird. Anders als in Tausendundeinernacht drückt sich die Hauptfigur nicht durch Geschichten erzählen aus, sondern gestaltet sogenannte Zines: kleine Papierheftchen mit Fotomontagen, Collagen und Texten, die in den Fließtext eingearbeitet sind und ihren inneren Kampf widerspiegeln.  
Aus dem Dän. v. Ulrike Brauns. Mit Ill. v. Sune Ehlers.
Dressler 2018.
271 S.

Tahereh Mafi: Wie du mich siehst

Shirin ist es gewohnt, schräg beäugt, angefeindet und beschimpft zu werden, weil sie Hidschab trägt. Neu ist aber, dass sich ein Parade-US-Amerikaner (gutaussehend, Basketballstar, Liebling der ganzen Schule) für sie interessiert. Und sie sich für ihn. Aus Selbstschutz, aber auch aus Sorge um ihre aufkeimende Beziehung, verschließt sie sich.
Ihr eigenes Denken ist jedoch ebenso von Vorurteilen geprägt und entspricht oft dem, was sie ihren Mitmenschen unterstellt. Das Spiel zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung zeigt sich im Text einerseits anhand der Entwicklung Shirins, die allmählich ihren Schutzschild abzulegen scheint, und andererseits an der Reaktion der Schule, als Ozean und sie ihre Beziehung – nachdem sie sich ihm gegenüber geöffnet und ihre Gefühle zugelassen hat– öffentlich machen. Ein regelrechter Shitstorm prasselt auf sie nieder. Der sich als Liebesroman präsentierende Text wird zum Abbild einer Gesellschaft, die exemplarisch vorführt, wie Fremdenfeindlichkeit zustande kommen kann; aber auch deren Überwindung und die oftmals sprunghafte Meinungs-bildung von Jugendlichen werden thematisiert. Die Autorin lässt autobiographische Erlebnisse in den Text einfließen, umreißt gleichzeitig die Hackordnung im Mikrokosmos Schule und verdeutlicht dieserart, wie das Denken von Jugendlichen (oder Menschen ganz allgemein) gelenkt werden kann.
Aus dem Amerikan. v. Katarina Ganslandt.
Sauerländer 2019.
348 S.