Fachbücher zur Kinder- und Jugendliteratur
Wynfrid Kriegleder & Heidi Lexe & Sonja Loidl
& Ernst Seibert (Hrsg.): Jugendliteratur im Kontext
von Jugendkultur
Der elegante Titel dieser neuen Reihe wissenschaftlicher Beschäftigung mit Kinder- und Jugendliteratur ist ebenso Programm wie das Thema des ersten vorliegenden Bandes.
Die 16 Beiträge, zwei davon in englischer Sprache und drei von Vertreter aus Nachbarstaaten, stammen aus Ringvorlesungen und anderen ebenfalls jüngsten Veranstaltungen der Universität Wien. Sie dokumentieren die über Jahrzehnte entwickelte und inzwischen etablierte Wiener Schule der universitären Kinder- und Jugendliteraturforschung. Gleichzeitig sind sie Zeugnis einer interdisziplinären Sicht und Methode, die Kinder- und Jugend-
literatur nicht aus sich selbst erklärt, sondern gesellschaftliche, ästhetische und mediale Entwicklungen einbezieht. Dabei sucht sie Fixpunkte, die sowohl für die Texte als auch für die Zielgruppe und ihr Lebensumfeld signifikant erscheinen und die einander in der Zusammenschau erklären. Im ersten Band präsentieren sechzehn hoch qualifizierte BeiträgerInnen (darunter neben den HerausgeberInnen Susanne Blumesberger, Ludwig Maximilian Breuer, Ulrike Eder, Kerstin Gittinger, Beate Großegger, Manuela Kalbermatten, Sylvia Schreiber und Thomas Walach) vielfältige Antworten auf die Frage nach der Interdependenz von Jugend-
kultur und Jugendliteratur. Transmedialität charakterisiert mit Comics, Fantasy, Fankultur sowohl Publikationen als auch junge RezipientInnen. In Genderfragen und der Aufarbeitung tabuisierter Zeitzonen oder Lebensbereiche treffen sich Jugendroman und jugendliche Identitätssuche. Nationale, regionale und lokale Kulturtraditionen gehen in jugendlichem Alltag und Kunsterfahrung neue, spannungsreiche Verhältnisse ein.
Viele der Reflexionen und Erkenntnisse bewegen sich auf einer Meta-Ebene und benutzen den wissenschaftlich-elaborierten Sprachcode mit Freude und Einfallsreichtum. Dabei schafft der Einführungs- und Übersichtscharakter von Ringvorlesungen und der kontinuierliche Verweis auf historische und aktuelle Jugend-
medien eine Brücke der Verständlichkeit zu Erfahrungs- und Anwendungsfeldern. Wer diesen Sammelband aufmerksam liest, ist im Thema auf dem Laufenden und freut sich auf Band 2.
Praesens Verl. Wien 2016 (= Wiener Vorlesungen zur Kinder- und Jugendliteratur; Bd.1)
Birgit Dankert in 1001 Buch 1|17, S. 68.
Kerstin Gittinger und Sonja Loidl (Hrsg.): Unter Wölfen. Symposium im StifterHaus 1./2. März 2018.
Käthe Recheis (1928-2015). Man meint sie zu kennen – die renommierte Kinder- und Jugendbuchautorin, der wir u.a. eines der ersten und umstrittensten Jugendbücher zur NS-Vergangenheit in Österreich verdanken (»Das Schattennetz«, 1964, unter dem Titel »Geh heim und vergiß alles« 1998 neu aufgelegt) sowie einen Klassiker der phantastischen Literatur (»Der Weiße Wolf«, 1982). Kann uns da ein Tagungsband noch Neues und Spannendes erzählen? Er kann – eindeutig! Vorliegender Sammelband stellt die politische Bedeutung ihres (Lebens-)Werks in den Mittelpunkt und wählt dafür geschickt vier unterschiedliche Perspektiven, die zugleich die Struktur des Bandes vorgeben. Durch die verschiedenen Blickwinkel gelingt es, ein anschauliches, lebendiges Bild der bekannten Schriftstellerin und der Privatperson zu entwerfen. Am Beginn stehen unter »Weggefährten« Erinnerungen zweier langjähriger Freunde, die interessante Einblicke in ihre intensive Auseinandersetzung mit und ihr soziales Engagement um die indigene Kultur Nord- und Südamerikas vermitteln. Der Abschnitt »Werkanalysen« enthält fundierte, literaturwissenschaftliche Beiträge zu den Romanen »Das Schattennetz«, »London, 13. Juli« (eines der ersten Jugendbücher zum Thema Terrorismus) und »Der weiße Wolf«; zu Letzterem arbeitet Heidi Lexe verblüffende, aber stimmige Parallelen bei strukturgebenden Elementen der Phantastik wie das Zwei-Welten-Modell, Bewährungsprobe und Kritik an autoritären Systemen zwischen Käthe Recheis‘ Werk und Joanne K. Rowlings »Harry-Potter«-Serie heraus. Auf der Ebene der persönlichen Lektüreeindrücke nähert sich die Schriftstellerin Andrea Winkler im Abschnitt »Wechselperspektive« dem »weißen Wolf«. Zuletzt werden im Kapitel »Weltbilder« aus kulturwissenschaftlicher Perspektive der in Zusammenhang mit Käthe Recheis‘ Werk gern verwendete Begriff »humanistisch« überprüft und auf ihre Bücher umgelegt, ihre Position innerhalb der »Wiener Gruppe« österreichischer Kinder- und JugendbuchkünstlerInnen seit den 60er Jahren erläutert sowie die Indianer-Darstellungen ihrer Büchern in Text und Bild analysiert. Der gut lesbare, liebevoll gestaltete Band beleuchtet eine wichtige Facette von Leben und Werk dieser vielseitigen Autorin und wird ihr damit gerecht. Und das ist beeindruckend.
Adalbert-Stifter-Institut des Landes OÖ. / StifterHaus, Linz 2018.
Barbara Burkhardt in 1001 Buch 3|18, S. 72.
Lena Hoffmann: Crossover. Mehrfachadressierung in Text, Markt und Diskurs.
In ihrer Dissertation untersucht Lena Hoffman das Phänomen jener Bücher, die gleichermaßen von Kindern und Erwachsenen gelesen werden – Bestseller wie Stephanie Meyers »Twilight«-Romane oder Cornelia Funkes »Tintenwelt«-Trilogie – und für die in Medien und Forschung unterschiedliche Bezeichnungen (Crossover, All-Age, Mehrfachadressierung) kursieren. Erklärtes Ziel der Untersuchung ist es, der Frage nachzugehen, ob Crossover-Literatur ein eigenes Genre sei (was in der Forschungsliteratur bisher negiert wurde), also Gemeinsamkeiten dieser generationsübergreifenden Bücher aufzuzeigen. Dazu zählt die Autorin sowohl außerliterarische Aspekte wie den öffentlichen Diskurs und die Vermarktungsstrategien als auch innerliterarische Strukturen und Verfahren in den Texten selbst.
Das Buch gliedert sich in vier Kapitel: Grundlagen, Diskurs, Buchmarkt und Text. Im ersten Kapitel erklärt die Verfasserin weit ausholend Entstehung und Bedeutung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten, so identifiziert sie u. a. »All-Age« als Marketingbegriff und »Crossover« als adäquaten Terminus für die literarische Grenzüberschreitung. Sie bietet einen Überblick über die komplexe Forschungslage und begründet ihre Textauswahl, die sechs Werke vom 19. bis zum 21. Jahrhundert umfasst. Das Kapitel bietet Grundlegendes und Interessantes, doch manchmal wünscht man sich, die Autorin hätte einige Details ihres beeindruckenden Wissens nicht dokumentiert. Im Kapitel Diskurs fokussiert Lena Hoffmann auf die öffentliche Wahrnehmung des Crossover-Trends in Feuilleton und Branchenmedien, der zwischen Extremen pendle: »Während auf der einen Seite die Infantilisierung der Gesellschaft befürchtet wird, wittert die in die Krise geratene Buchbranche Rettung vor dem Untergang.« (S. 95) Zudem werde Crossover fälschlicherweise nur der Fantasy-Literatur zugeordnet und müsse sich den Vorwurf der Oberflächlichkeit und des Eskapismus gefallen lassen. Den Möglichkeiten der Crossover-Vermarktung und den Folgen für die Buchbranche widmet sich das Kapitel Buchmarkt, das die unterschiedlichen Marktstrategien an Hand von Joanne K. Rowlings »Harry Potter«, Martin Zusaks »Die Bücherdiebin« und Wolfgang Herrndorfs »Tschick« eindrucksvoll darlegt. Das letzte Kapitel Text macht die Hälfte des vorliegenden Bandes aus; darin analysiert die Verfasserin an Hand ihres ausgewählten Textkorpus literarische Verfahren, die laut ihrer These konstituierend für das Genre Crossover-Literatur seien. Angelehnt an Heidi Lexes Studie »Pippi, Pan und Potter« ortet sie häufige Motivkonstellationen wie Waise/Halbwaise oder Außenseiter als Hauptfiguren sowie Elternferne und Bewährung/Aventiure als wichtige Elemente von Crossover, zudem bedingen eingängige Romananfänge, episodenhaftes Erzählen und Spannung die Mehrfachadressierung. Auf der Tiefenstruktur der Texte arbeitet Lena Hoffmann an Hand der ausgewählten Titel folgende Merkmale heraus: Genrehybridität, d. h. die Kombination verschiedener literarischer Gattungen (beispielsweise Road-Novel, Abenteuer- und Adoleszenzroman bei »Tschick«); Metafiktion und Metanarration, literarische Verfahren, welche die Fiktionalität innerhalb eines Textes thematisieren, (etwa durch die Darstellung der Leser-Buch-Beziehung wie in Michael Endes »Unendliche Geschichte«); weiters die »Hierarchie des Wissens« (Emer O’Sullivan), bei der mit dem unterschiedlichen Wissenshorizont von Kindern und Erwachsenen gespielt wird. Dabei enthält der Text Informationen und Anspielungen, die primär nur von Erwachsenen entschlüsselt werden können, ohne dadurch den Lesefluss der kindlichen LeserInnen zu hemmen. Als letztes Element identifiziert sie die Verwendung der Erzählperspektiven, wobei durch Fokussierung auf die kindliche Hauptfigur die Identifikationsmöglichkeit und der Wissenshorizont der jungen RezipientInnen berücksichtigt werden, die zusätzliche Perspektive eines erwachsenen Protagonisten ist als Angebot an die lesenden Erwachsenen im Text inkludiert (bei Mark Twains »Tom Sawyer« beispielsweise in der Gestalt des Erzählers, der das Geschehen satirisch-humoristisch kommentiert).
Die Arbeit ist nur etwas für Literaturtheorie-Aficionados, die mit fundierten Textanalysen, interessanten Einblicken in den Buchmarkt und einem neuen Blick auf das Bestseller-Phänomen Crossover belohnt werden.
Chronos 2018. (=Populäre Literaturen und Medien, Band 12.)
Barbara Burkhardt in 1001 Buch 2|19, S. 70f.
Birgit Dankert: Michael Ende. Gefangen in Phantásien
»Ich bin ja eigentlich kein Literat, sondern ich bin Geschichtenerzähler.« (Michael Ende). In ihrer Biographie des weltberühmten Kinder- und Jugendbuchautors der Nachkriegszeit zeichnet die Bibliotheks- und Informationswissenschaftlerin Birgit Dankert ein Bild des Autors, wie er war und wahrgenommen wurde – und wie er sein wollte. Als Autor phantastischer Literatur wurde er gefeiert, ausgezeichnet, verehrt. Als Schreibender für Erwachsene wurde er kaum registriert. Von jung auf war es sein großer Wunsch, Theaterautor zu werden, weshalb er nach der Matura die Schauspielschule besuchte. In jeder Lebensphase und Situation war Michael Ende ein Dramatiker, der szenisch dachte. Auch seine Hauptwerke »Jim Knopf«, »Momo« und »Die unendliche Geschichte« sollten für Kinder nachspielbar sein. Darüber hinaus war er auch Illustrator seiner eigenen Bücher, verdiente sein Geld als Schauspieler und Filmkritiker und verfasste Opernlibretti. Ein Schwerpunkt der Biographin ist Michael Endes Kampf um Anerkennung; sie erzählt von seinen Versuchen, sich politisch und kulturtheoretisch einzubringen, sich gegen den Eskapismus-Vorwurf zur Wehr zu setzen. Dass Marcel Reich-Ranicki auf die Bitte, einen Text für das Geburtstagsbuch von Michael Ende zu schreiben, antwortete: „Das Werk Michael Endes ist mir nicht bekannt“, dürfte ein Tiefschlag für Ende gewesen sein.
Birgit Dankert skizziert das Lebenswerk, stellt bekannte und weniger bekannte Texte vor und zeigt chronologisch in sieben Kapiteln Michael Endes Entwicklung als Künstler. An Hand von Textpassagen aus Briefwechseln und Gesprächen lässt sie Wegbegleiter zu Wort kommen und schafft dadurch ein lebendiges Porträt des Schriftstellers. Freunde, Familie, Kollegen und seine Leserschaft spielten eine große Rolle in Michael Endes Leben. Sie haben ihn beeinflusst, unterstützt und geprägt. Von sich selbst sagt er, dass er Heimatgefühl nur bei Menschen habe. Vor allem seine erste Frau Ingeborg Hoffmann, die sich in einigen literarischen Frauenfiguren – wie der Zauberin Xayide in der »Unendlichen Geschichte« – widerspiegelt, war ihm eine wichtige Gefährtin. Wenn am Ende auch klar wird, dass es ein schlüssiges Gesamtbild dieses Menschen – wie er war und wie er gerne sein wollte –, nicht geben kann, so ist es Birgit Dankert jedenfalls gelungen, die Persönlichkeit und die Kämpfe dieses Schriftstellers, der heute zu den renommiertesten und beliebtesten seiner Generation zählt, klug und aufschlussreich darzulegen.
Lambert Schneider Verlag 2016.
Juliane Zach in 1001 Buch 1|17, S. 69.
Tobias Kurwinkel/Philipp Schmerheim/Annika Kurwinkel (Hrsg.): Harry Potter Intermedial. Untersuchungen zu den (Film-) Welten von Joanne K. Rowling.
Nach Astrid Lindgren beschäftigt sich auch der zweite Band der Reihe „Kinder- und Jugendliteratur intermedial“ mit einer Autorin: J.K. Rowlings Kultphänomen wird thematisch, motivisch und sprachlich unter die Lupe genommen. Zeitlose literarische Komponenten wie der Totentanz oder die Natur als Spiegel der Empfindungen werden aufgezeigt und analysiert. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit den Figurenkonstellationen rund um den Zauberschüler: Heidi Lexe setzt sich eingehend mit Harrys steter Verbindung zu Antagonist Lord Voldemort auseinander, Melanie Joannidis und Nicole Weppler mit den Vaterfiguren in seinem Leben. Das Verhältnis zum vielleicht doch nicht so bösen Severus Snape wird ebenfalls erläutert. In Johanna Malchers Aufsatz kommt die immer heikle Frage der Übersetzung, vor allem bei Eigennamen – wie sie in Rowlings Werken häufig und mit verschiedensten etymologischen Wurzeln vorkommen –, zur Sprache. Die „Etablierung des phantastischen Kinder- und Jugendromans in den Literaturbetrieb, die mit dem Erfolg von Harry Potter einherging“ verdankt sich nicht zuletzt den acht Verfilmungen (die mit dem Aufteilen des finalen Buches in zwei Teile ihrerseits ein neues filmisches Modell begründeten). Diese werden ebenfalls auf verschiedenen Ebenen untersucht: Ein Kapitel ist ganz dem Sound gewidmet. Alina Gierkes Beitrag behandelt ausführlich die Gestaltung der „tale of the three brothers“, auch der politische Aspekt in Buch und Verfilmung wird anhand zahlreicher Beispiele thematisiert. Als intermediales Phänomen im Speziellen wird pottermore.com beleuchtet.
Bei einer so tiefgehenden Analyse kann und soll nicht verhindert werden, dass manche Mythen um Autorin und Buchserie „entzaubert“ werden – wohnt doch dem Eintauchen in die wirkenden Mechanismen und Hintergründe auch ein starker Zauber inne.
Königshausen & Neumann 2014.
Das Wilde und das Zivilisierte. Eskalierende Inselszenarien der aktuellen Jugendliteratur.
Wer glaubt, die Insel sei der Ort der Idylle (und der Urlaubsfreuden…) hat sich wenig in der aktuellen Jugendliteratur umgesehen. Denn dort, so zeigt Christina Ulm in ihrem auf ihrer 2011 an der Universität Wien approbierten Diplomarbeit basierenden Buch, ist die Insel wie jede andere Wildnis ein Ort, an dem die Zivilisation bricht, das Menschsein eskaliert. Um dieser Grundthese nachzugehen, wird zunächst nach methodischen Hinweisen eine Begriffsbestimmung der für die Untersuchung wesentlichen Gattungen Robinsonade, Jugendrobinsonade und Gruppenrobinsonade durchgeführt. Wesentlich ist weiters eine Darstellung der zentralen Dichotomien der Insel, die von jeher so unterschiedliche Aspekte wie Utopie und Dystopie beinhaltet. Im zentralen Teil des Buches wird schließlich der Textkorpus, der im Wesentlichen fünf seit 2000 erschienene Jugendromane umfasst, auf Auslöser, Indikatoren und Formen der Eskalation untersucht. Das ist durchaus harte Kost: Denn was die Jugendlichen, die anders als in der klassischen Robinsonade meist nicht gestrandet, sondern im Sinn einer show eher auf einer künstlich präparierten Insel ausgesetzt sind, einander antun, reicht von kriegsartigen Handlungen bis hin zum Kannibalismus. Besonders reizvoll wird die Lektüre dieses Fachbuchs durch die Miteinbeziehung zahlreicher populärkultureller Phänomene: Fernsehserien, Filme und Feuilletonartikel werden nicht wahllos genannt, sondern klug analysiert und in die breit dargestellte Motivtradition der Insel eingeordnet. Die Insel hat, so wird im Fazit deutlich, jede utopische Funktion verloren und wird im Sinne Michel Foucaults zur Heterotopie, zum kontrastierenden Gegenraum. Die Sehnsucht nach der Insel sollte also jedenfalls gut überlegt werden...
Chronos 2014. (= Populäre Literaturen und Medien, herausgegeben von Ingrid Tomkowiak, Band 8.)
Heidi Lexe/Kathrin Wexberg (Hg.): Der genaue Blick. Weltbild und Menschenbild im Werk von Käthe Recheis.
Das Bild der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur nach 1945 ist ganz wesentlich mitgeprägt durch das Werk von Käthe Recheis, das sich – formal und thematisch – in einer beeindruckenden Bandbreite zeigt. Anlässlich ihres 80. Geburtstages veranstaltete die STUBE gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung und dem Stifter Haus Linz ein Symposion zum Werk von Käthe Recheis, das einen Bogen von der oberösterreichischen Kindheit und Jugend im Dritten Reich über phantastische Weltenrettungszenarien bis hin zu Denkfiguren der indigenen Bevölkerung in Nordamerika spannte. Weltanschauliche Aspekte wurden dabei ebenso angeschnitten wie Fragen nach Handlungs- und Gestaltungsräumen ihrer Texte sowie deren Rezeptionsgeschichte. Anlässlich des 85. Geburtstags im März 2013 wurden diese Symposionsbeiträge – aus Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen – nun veröffentlicht und zweifach ergänzt: Durch mehrere Laudationes von Heidi Lexe, die in unterschiedlichen Würdigungskontexten für die Autorin gehalten wurden, und durch Beiträge aus dem Bereich der Literaturproduktion und -vermittlung, die einer Auseinandersetzung mit dem Werk von Käthe Recheis noch einmal ganz neue Perspektiven hinzufügen. Diese Zusammenschau im Sinne einer erstmalig unternommenen monographischen Übersicht zeigt die Bedeutung einer literarischen Wegbereiterin unterschiedlicher Genrevarianten und thematischer Neupositionierungen.
Wien 2013. (= Kinder- und Jugendliteraturforschung in Österreich. Veröffentlichungen der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung, herausgegeben von Ernst Seibert, Gunda Mairbäurl und Heidi Lexe. Band 15.)
Ingrid Tomkowiak, Ute Dettmar, Gabriele von Glasenapp, Caroline Roeder (Hg.): An allen Fronten. Kriege und politische Konflikte in Kinder- und Jugendmedien
Kriege und politisch-soziale Konflikte werden in kinder- und jugendliterarischen Werken immer wieder behandelt, vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart mit ihren Bedrohungs- und Krisenszenarien, vom Terrorismus bis zu sozialen Verwerfungen und Umweltkatastrophen. Die Beiträge gehen den unterschiedlichen Narrationen von Kriegen und politischen Konflikten innerhalb der älteren wie neueren Kinder- und Jugendliteratur nach und folgen der inhaltlichen Einordnung: „Krieg als Topos“, „Bilder vom Krieg“ und „Kriegsgeschichte(n)“.
Nach einer Einführung von Gabriele von Glasenapp über die Darstellung von Kriegen in der KJL folgen rund 15 Beiträge, von denen der Großteil auf die 2011 stattgefundene 24. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung in Boldern zurückgeht. STUBE-Leiterin Heidi Lexe (über den Krieg gegen den Terror als Erzählanlass) und STUBE-Mitarbeiterin Christina Ulm (über kriegerische Inselszenarien) sind dabei ebenso vertreten wie einige Fernkurs-AutorInnen. So untersucht etwa Caroline Roeder Kindheitslandschaften als Kriegslandschaften, Ute Dettmar Kriegsszenarion in ausgewählten Tiererzählungen und -animationsfilmen. Neben der Auseinandersetzung mit entsprechenden literarischen Texten und Illustrationen beinhaltet der Sammelband auch Untersuchungen zu Film- und Fernsehformaten sowie Computerspielen und vor allem auch viele Beiträge über internationale Kinder- und Jugendliteratur (Südafrika, Russland, Spanien …) respektive deren Darstellungsweisen von Krieg.
Chronos 2013. (= Beiträge zur Kinder- und Jugendmedienforschung. Hg. vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM, Band 3)
Tobias Kurwinkel/Philipp Schmerheim: Kinder und Jugendfilmanalyse
Fallen die Worte „wissenschaftliche Einführung“ oder „Grundlagenwerk“, färben sich die Gedanken von GeisteswissenschaflterInnen rot-blau ein. Wir träumen von feingliedrigen Unterkapiteln, von erhellenden Exkursen, von prägnanten Deskriptoren in Marginalspalten und von umfangreichen Anhangrubriken, wo Begriffe glossiert, Medien indiziert und Literatur verzeichnet werden. Auch der UTB-Band Nr. 3885 verfügt über all diese formalen Spezifikationen und leistet in sechs Kapiteln jene basale Arbeit, die ihm den Status „Grundlage“ einräumt: die Verbindung von Theorie und Praxis. Einleitend werden die Begriffe Kinder- und Jugendfilm definitorisch, gattungs- bzw. genrespezifisch und historisch bearbeitet, bevor Erläuterungen zu Methoden (Kapitel 2) und Analysedimensionen (Kapitel 3) die Schnittstelle zwischen Wissensvermittlung und Anwendung vorbereiten. Denn „Teil 4 stellt einen Leitfaden zur Vorbereitung, zur Strukturierung und zum Verfassen von Kinder- und Jugendfilmanalysen vor [...]“ Mit erhöhter Aufmerksamkeit für die „Rezipientenadressierung“ und die „Auralität“ (Bild-Ton-Relation) wird Schritt für Schritt erläutert, wie Kinder- bzw. Jugendfilme analysiert werden können. Das vorletzte Kapitel widmet sich der Filmbildung- und -arbeit aus pädagogischer Perspektive samt Unterrichtsmethoden und einem prägnanten Kinderfilmkanon. Abgerundet wird der UTB-Band durch fünf Beispielanalysen der Filme The Hunger Games, Madita, Tarzan 2, Paranoid Park und Ratatouille. Die exemplarischen Filmanalysen streichen jeweils andere rezeptionssteuernde Konfigurationen heraus. So erörtert Heidi Lexe einerseits die disparate Narrationsform bei Gus van Sants filmischer Adaption von Blake Nelsons Roman Paranoid Park und obduziert andererseits die aurale Inszenierung der Erzählung: „Die ganze Welt scheint auf diese Halfpipe eines Entscheidungsprozesses zu schrumpfen, in dem es gilt, das Gleichgewicht zu halten, während sich in jedem One-Eighty Stillstand und Ausweglosigkeit gleichermaßen verdichten.“
UVK Verlagsgesellschaft mbH 2013 [UTB-Band Nr. 3885] 320 S., € 24,99. ISBN 9-783825-238858.
Der Vampir in den Kinder- und Jugendmedien. Hg. v. Jana Mikota und Sabine Planka.
Fast schon legendär mutet die 2011 stattgefundene Tagung „Der Vampir in den Kinder- und Jugendmedien“ im Rückblick an, hat die STUBE dort schließlich tragreiche Bekanntschaften geschlossen und ihren Haus- und Hof-Vampirologen (Oliver Hepp) und Lykanthropologen (Uwe Schwagmeier) gefunden, die auf den Fernkurstagungen in Strobl und Würzburg 2012 referierten. Die Ergebnisse der Tagung liegen mit diesem Sammelband vor; 19 Beiträge folgen den Spuren der Vampire nach Morganville, Bon Temps, Transsylvanien, Sunnydale, Forks, in die Steiermark und sogar nach Entenhausen. Aus unterschiedlichen Perspektiven und Disziplinen wird die Genese des Vampirmythos in den Blick genommen: Von seinem volkstümlichen Ursprüngen (Peter Mario Kreuter), über die Wesensverwandschaft von Renate Welshs Vamperl und Bram Stokers Dracula (Oliver Hepp), über Vampirismus als Anthropologikum (Fernkursabsolvent Torsten Mergen) bis zur Vergesellschaftung von Vampiren in aktuellen Jugendbüchern und -medien (Heidi Lexe und Christina Ulm). Durch die Vielfalt der Beiträge ergibt sich ein umfassendes Bild des Vorkommens des Vampirs nicht nur in der KJL, sondern in der Populärkultur, in Comics und durch den entsprechenden Hype auch im Netz. Besondere Schmankerl bietet der Sammelband dann, wenn die Frage „Team Edward oder Team Jacob?“ mit (post-) colonial studies beantwortet wird (Uwe Schwagmeier) und ein wunderbares Exempel für den Wissenschaftszweig der Buffy studies gegeben wird (Marcus Recht), von denen so manche/r VertreterIn mal eben 7 Staffeln der entsprechenden Serie ohne Ton (oder nur den Ton) rezipiert …
Berlin: Weidler 2012.
Hannes Schweiger/Hajnalka Nagy (Hg.): Wir Jandln! Didaktische und wissenschaftliche Wege zu Ernst Jandl.
Lechts und rinks, schtzngrmm und Ottos Mops – mit seinen Texten hat sich Ernst Jandl wie kaum ein anderer Dichter in den Alltagswortschatz literaturaffiner ÖsterreicherInnen, aber auch in den Kanon schulischer Lektüre eingeschrieben. Die 2010/2011 im Wien Museum gezeigte Ausstellung „Die Ernst Jandl Show“ animierte ihre BesucherInnen zu einer Tätigkeit, die auch im Zentrum des vorliegenden, von Hannes Schweiger und Hajnalka Nagy herausgegebenen Sammelbandes steht: Jandln. In diesem Sinne soll in den unterschiedlichen Beiträgen einerseits das literaturdidaktische Potential von Jandls Texten ausgelotet werden, andererseits gezeigt werden, dass diese weit mehr Anknüpfungspunkte bieten als gängige Unterrichtsmodelle vermuten lassen. Die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit Jandls Leben und Werk wird dabei mit didaktischen Überlegungen und ganz konkreten Anregungen für die Praxis zusammengeführt: Ein erster Abschnitt versammelt Überlegungen zu den sprachpoetologischen Implikationen der Vielsprachigkeit des Jandlschen Werkes. Der zweite Abschnitt ist dem Unterfangen gewidmet, aus literaturwissenschaftlichen Erkenntnissen didaktische Prinzipien herauszuarbeiten – der dritte Abschnitt schließlich veranschaulicht mit ganz konkreten Beispielen, wie mit Jandls Texten gearbeitet werden kann und welches Potential für einen kreativen und handlungsorientierten Zugang zu Sprache und Literatur in seinen Texten liegt. Jandln für alle also, vom Kindergarten bis zum DaF/DaZ-Unterricht für Erwachsene – der Beitrag von Kathrin Wexberg widmet sich der Frage, inwieweit Jandls Texte im Kontext der vorschulischen Leseförderung eingesetzt werden können.
Innsbruck, Wien, Bozen 2013. (= ide extra. Eine deutschdidaktische Publikationsreihe, herausgegeben von Margit Böck, Stefan Krammer, Annemarie Saxalber-Tetter, Anja Wildemann und Werner Wintersteiner. Band 18.).