Ab neun Jahren
Ute Krause: Theo und das Geheimnis des schwarzen Raben
Berliner Stadttaubenpastete mit Ananasstücken und Himbeeren auf einem Bett von Kohlrabi-Ranunkelragout ist nur einer der Gründe, warum Theo immer wieder mit seinem 3-Sterne-Koch-Stiefvater aneinander gerät. Die Mutter scheint sich mehr und mehr auf dessen Seite zu schlagen, Theo soll den Sommer in einem Ferienlager verbringen. Trübsalblasend beugt er sich seinem Schicksal und wird von Heimweh geplagt. Wer würde sich da nicht wünschen, in ein fliegendes Schiff zu steigen und davon zu segeln? Theo bekommt tatsächlich von einem fliegenden Piratenschiff Besuch und findet sich inmitten einer seltsamen Besatzung wieder, die aus einem sprechenden Raben, einem vergesslichen Koch und einer Palastkatze besteht. So macht sich die kuriose Mannschaft auf die Reise. Doch neben den Tücken der See und verwunschenen Inseln sieht sich der Protagonist auch mit seinen Ängsten konfrontiert, die es zu überwinden gilt. Eine Piratengeschichte, die vom großen Zauber einer ungewöhnlichen Freundschaft erzählt. Eine phantastische Reise, eine abenteuerliche Handlung und ein spannender Plot zeigen, wie es gelingen kann, über sich selbst hinauszuwachsen.
Ill. v. Ute Krause.
cbj 2018.
210 S.
Anke Kuhl: Lehmriese lebt!
Ein Kinder-Comic über Fremdbestimmung, der erst einmal mit Selbstbestimmung beginnt: Denn wo sonst dürfen Kinder noch unbeaufsichtigt (!) zum Fluss (!), um nackt (!) im Gatsch (!) zu spielen? Fettiger Lehm wird zum Material für die Schaffenskraft und bald haben das Mädchen und der Bub daraus einen archetypischen, riesenhaften Golem geformt. Kurze Kapitel zeigen den neu geborenen Koloss in seiner Konfrontation mit dem Regelwerk des menschlichen Alltags: Denn beim Eismann, im Frisörsalon oder im Supermarkt müssen Karten und Prospekte erst einmal entziffert werden, um sich sozial angemessen zurechtzufinden. Man könnte die kluge Graphic Novel für Kinder als Geschichte über Fremde lesen und ihre Schwierigkeiten, sich ohne Sprache verständigen zu können. Oder im Sinne der Motivgeschichte des Golems als Parabel über die Schwierigkeit, ein selbst erschaffenes Wesen auch im Sinne des Guten einzusetzen. Muss man aber nicht. Denn das würde die genialen Leerstellen und den hintergründigen Humor ohnehin zu eng führen.
Reprodukt 2015.
87 S.
Christoph Mauz: Motte Maroni – Angriff der Schrebergarten-Zombies
„Die Nacht der lebenden Toten“ oder „Dawn of the Dead“: Die Tradition des Zombiefilms ist so lang wie grauslich. Auf Hunger und Instinkt reduzierte zum Leben erweckte Tote gieren schon seit den 1930er Jahren nach den Kehlen ihrer Opfer und entbehren nicht einer gewissen Komik. Eben jene hat sich auch die Kinderliteratur zunutze gemacht. Selten so gekonnt gelöst wie bei Christoph Mauz, der die notwendige Selbstironie des Horrors mit seiner Kinderbuch-Reihe genial auf die Spitze treibt: Beschaulich beginnt der Serienauftakt um Motte Maroni, der in den Sommerferien zu seinem Onkel Schurli ins Stammersdorfer Schrebergartenidyll gebracht wird. Ordentlich Lokalkolorit, zwitschernde Vögel, surrende Rasenmäher und stramme Hartplastik-Rehe können jedoch nur schwerlich ablenken von den abstrusen Begebenheiten, die sich des Nachts ereignen: Abscheuliche Klänge, die aus der Kolonie „Zur fidelen Reblaus“ erschallen und Onkel Schurlis ethnologischer Forschungs-schwerpunkt –„Übersinnliches von Transsilvanien bis Texas“ – verzerren das gärtnerische Eldorado zu einem Setting des Grauens, das vor Aberwitz und Originalität nur so strotzt.
Residenz 2009.
125 S.
Luke Pearson: Hilda und der Bergkönig
Die blauhaarige Protagonistin Hilda bewegt sich in der Graphic Novel Serie durch eine norwegisch anmutende Bergwelt voller Trolle, Hausgeister, Elfen und sprechender Vögel. Hildas Mutter, mit der sie kürzlich aus ländlicher Einöde in die Stadt Trollberg zog, ist ihr sowohl Reibebaum als auch fürsorgliches Vorbild. Aufgrund ihrer Wissbegier und Abenteuerlust manövriert sich Hilda immer wieder in unerwartete und aufregende Situationen. Im sechsten, vorerst letzten, bei Reprodukt erschienenen Hilda-Band sind Hildas Mutter und Haustier Hörnchen nach einem Abenteuer wieder heil zuhause angekommen. Nur Hilda wurde leider durch einen Trick in einen Troll verwandelt und blieb im steinernen Wald zurück. Während die Mutter verzweifelt nach ihr sucht, macht Hilda das Beste aus der misslichen Lage und studiert die Gewohnheiten der Trolle. Ihr Aufenthalt trägt schließlich zu einer verbesserten Kommunikation und zum Abbau von Vorurteilen bei. Panels in unterschiedlichen Größen und mit wechselnder Farbgebung ebenso wie kreativ gestaltete Figuren und imposante Naturdarstellungen sorgen für ein abwechslungsreiches Leseerlebnis. Wer Lust auf noch mehr Hilda hat: Netflix hat die Comics als animierte Serie adaptiert.
Aus dem Engl. v. Matthias Wieland.
Reprodukt 2019.
80 S.
Jürg Schubiger: Die Geschichte von Wilhelm Tell
Sommerferien in der Innerschweiz: Das muss mitten hineinführen in die literarischen Traditionen der Schweiz. Und wer, wenn nicht Wilhelm Tell, könnte im Zentrum dieses erzählenden Vordringens stehen? Symbolhaft steht also auch eine Wilhelm-Tell-Statue inmitten des Städtchens Altdorf, in dem der Ich-Erzähler seine Ferien bei den Großeltern verbringt. Sie wird zum Vexierbild für Großvater und Enkel, an ihr entzündet sich der Prozess des Erzählens. Die beiden entwickeln ein Ritual, das dem Enkel, verunsichert durch die Trennung der Eltern, Sicherheit gibt, und die Geschichte von Tell und seinem Sohn Walter antreibt. Die Leerstelle, die der Vater hinterlässt, wird gefüllt durch eine Geschichte voller Leerstellen, die der Großvater gekonnt inszeniert, denn immer wieder charakterisiert er das Mittelalter als eine Zeit "ohne", eine Zeit voller Leerstellen also. Erzählwegen und -irrwegen wird dabei gekonnt nachgegangen, Figuren werden eingeführt und wieder aus der Geschichte geworfen. Jörg Schubiger erzählt eine Geschichte über das Erzählen und kombiniert das Kennenlernen eines literarischen Stoffes mit Anknüpfungspunkten an das kindliche Innenleben.
Nagel & Kimche 2003.
95 S.
Paul Shipton: Die Wanze. Ein Insektenkrimi
Wanze Muldoon ist ein Käfer und er hat alle Eigenschaften eines guten Privatdetektivs: Er ist cool. Und der einzige, der den Garten vor einer Gruppe abtrünniger Ameisen, die gemeinsam mit den Wespen einen Putsch plant, retten kann. Wenn überhaupt… Denn im Reich der Insekten geht es mörderisch zu. Und man kann niemandem trauen. Paul Shipton kennt seine berühmten Vorbilder. Und Philipp Marlowe geistert ein paarmal durch diesen kurzweiligen Insektenkrimi. Ein ungetrübt unterhaltsamer Lesespaß, der leichtfüßig und gekonnt mit den Versatzstücken des Genres spielt und seine Leser*innen bis zum imposanten Showdown im Ameisenbau in Atem hält. Im zweiten Fall „Heiße Spur in Dixies Bar” kommt es zu einem rätselhaften Todesfall, der die Frage aufwirft, ob nicht dahinter der kriminelle Kakerlak steckt. Axel Schefflers humorvolle Illustrationen unterstreichen die besondere Komik dieser Geschichten, die durch die Übertragung tatsächlicher biologischer Eigenschaften auf das klassische Figurenarsenal des Genres Krimis entsteht.
Ill. v. Axel Scheffler.
Aus dem Engl. v. Andreas Steinhöfel.
Fischer 1997.
188 S.
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