Aidan Onn / Rob Hodgson: Das Alphabet der Monster und anderer magischer Wesen

Das Alphabet ist per Definition ein Ordnungssystem. Das Monster und seine magischen Kolleg*innen ebenfalls per Definition etwas Anarchisches, dem Reich der Phantasie und damit auch der Literatur Zugehöriges. Wenn das britische Duo also diese beiden Dinge in einem Bilderbuch zusammenführt, entsteht daraus eine gewisse Spannung – zumal in ihrer Übersicht durchs ABC auch Wesen aus unterschiedlichsten Kulturen in den Blick genommen werden. Britische Banshees, Elokos aus dem afrikanischen Regenwald, aber auch der Minotaurus aus der griechischen Mythologie bevölkern dieses Nachschlagewerk und werden von Illustrator Rob Hodgson in einem plakativen, bewusst an Kinderzeichnungen angelehnten Stil abgebildet. Die Erzählinstanz bleibt in den kurzen Textpassagen nicht bei reinen Beschrei-
bungen, sondern gibt den Lesenden auch in Du-Form konkrete Tipps zum Umgang mit der jeweiligen Spezies. Für Begegnungen mit magischen Wesen aller Art ist man also nach der Lektüre bestens gewappnet – mit Spielraum für eigene Entscheidungen: Du kannst Zombies nur erlösen und zurück ins Grab schicken (wenn du das möchtest), wenn du sie mit Salz fütterst.
Aus dem Engl. v. Birgit van der Avoort. 
Laurence King Verlag 2020.
56 S
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Das STUBE-Team hat sich inspiriert vom „Alphabet der Monster” auf die Suche gemacht, wo in der Kinder- und Jugendliteratur sich weitere Monster zu jedem Buchstaben des Alphabets verbergen. Mit umfangreichen Ergebnissen:

ALIEN

Jack Cheng: Hallo Leben hörst du mich?

Aliens oder Außerirdische leben irgendwo auf entfernten Planeten im Weltall. Davon ist auch der elfjährige Alex überzeugt und stellt sich die Frage, wie diese Aliens eigentlich aussehen und wie sie leben. Gemeinsam mit seinem Hund Carl Sagan macht er sich auf die Reise, um eine Rakete Marke Eigenbau mit einem iPod in den Weltraum zu schießen, auf dem das Leben auf der Erde dokumentiert ist. Gleichzeitig ist der iPod auch essenziell für die Textgestaltung; strukturiert wird dieser nicht durch Kapitel im herkömmlichen Sinn, sondern durch verschriftlichte Tonaufnahmen, die zu einer konsequenten Ich-Perspektive des Protagonisten führen – inklusive Leerstellen in Form von leeren Seiten, wenn vergessen wurde, die Aufnahme zu stoppen. Der Text ergründet nicht nur die unendlichen Weiten des Universums, sondern vor allem auch die wichtigen und unwichtigen Fragen im Leben: Ich muss viele Fragen stellen, wie kann ich denn sonst die Wahrheit […] herausfinden? Leuchtet doch ein, oder? ist hier die Devise. Wortwitz und das Spiel zwischen Dialogen, Monologen, dem Know-how über Raketen und All dominieren diesen Text, wenn die Wichtigkeit von Familie und Freund*innen herausgearbeitet wird.
Aus dem Engl. v. Bernadette Ott. 
cbt 2017.
384 S
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BANSHEE

Kyle und Derek Sullivan: Hush Now, Banshee!
A Not-So-Quiet Counting Book

Banshees durchstreifen die abgelegenen Wälder Irlands und Schottlands und stoßen dabei ein elendes Wehgeschrei aus. Diese Eigenheit nehmen die amerikanischen Zwillingsbrüder Kyle und Derek Sullivan zum Ausgangspunkt ihres schwergewichtigen Pappbilderbuchs - da sich Banshees ausschließlich in der englischsprachigen Kinderliteratur herumtreiben, wird hier ausnahmsweise ein englisches, gereimtes Bilderbuch vorgestellt. Zum strukturbildenden Element wird hier nicht das Alphabet, sondern ein weiteres alltägliches Ordnungssystem, das Zählen von 1 bis 10. 2 rundliche Geister, die gerade lesen möchten, 3 Hobgoblins, die gerade ein Nickerchen machen möchten, sie alle werden von den Schreien des Banshees gestört, bis schließlich 10 aufgebrachte Kreaturen ihr ins Gewissen reden und versuchen, ihr den Reiz der Stille schmackhaft zu machen: You´ll see quiet time is fun! Dass das einem Banshee nicht ganz so leicht fällt, ist wenig überraschend, macht aber dennoch Spaß. Einigen der hier vertretenenen monster-haften Kreaturen sind übrigens weitere Pappbilderbücher des Duos gewidmet, deren Titel ebenfalls so vielversprechend wie pädagogisch nutzbar klingen: “Goodnight, Krampus” (Hazy Dell 2017) oder “Get Dressed, Sasquatch!” (Hazy Dell 2018).
Hazy Dell 2018. 
30 S.


CYCLOP

Yvan Pommaux: Odysseus

Diese lustvolle Tour de force wird verschränkt mit einer Bildwelt, die nicht interpretiert, sondern unprätentiös und ohne Scheu vor Drastik den grässlichen Kyklopen, die verlockenden Sirenen und das Seeungeheuer Skylla in den Blick nimmt. Mit Lust an der Narration, einem Namensverzeichnis und einer Landkarte nimmt sich der preisgekrönte Illustrator der klassischen langen, schönen Geschichte an, wie es das Mädchen in der Rahmenerzählung auf den Punkt bringt. Sie und ihr Bruder lauschen den Ereignissen, die in der Binnenerzählung zuallererst Odysseus selbst schildert. Trojanischer Krieg und die überlieferte Irrfahrt bei der Heimreise werden in abenteuerlichem Schnelldurchlauf präsentiert, wobei ein besonderer Reiz aus Vielfalt von Namen und Ereignissen entsteht. Die Vielzahl an Perspektiven, Bildformaten und Schattierungen korrespondiert mit der Fülle des Erzählten und damit mit der Form des Epos.
Aus dem Franz. v. Erika und Karl A. Klewer.
Moritz 2016.
80 S.

DRACHE

Emily Gravett: Noch mal!

Grimmig ihren wertvollen Schatz bewachen ist die traditionelle Aufgaben der Drachen. Dieses Aufgabengebiet hat sich im Laufe der Jahre deutlich erweitert: In der Populärkultur hatte die Spezies zuletzt einen spektakulären Auftritt in „Game of Thrones”, wo sie seit ihrem nicht minder spektakulären Schlüpfen aus dem Ei (seitens der STUBE wurde dieses zuletzt >>>hier analysiert) für manchen Plot-Twist sorgte. In diesem Bilderbuch hingegen wird eine weniger bekannte Eigenschaft von Drachen beleuchtet, deren Liebe zu Geschichten. Das bereits am Vorsatzpapier gezeigte Abendritual des Drachenkindes beinhaltet nämlich das Vorlesen einer Geschichte über einen Drachen namens Chlodwig, der es gebannt folgt. Einmal ist natürlich nicht genug: Dem energischen Noch mal des Kindes folgt ein weiterer Durchgang der Geschichte, deren Text jedoch aufgrund der Müdigkeit des Elternteils bereits etwas kürzer ausfällt. Am Ende schlafen einige Figuren – jedoch nicht das zornig Noch mal! skandierende Kind, dessen Rage sich sogar in der Buchgestaltung haptisch nachvollziehen lässt.
Aus dem Engl. v. Uwe-Michael Gutzschhahn.
Fischer Sauerländer 2015.
23 S
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ELOKO

Sharon Cohen: Mein rätselhafter Freund Rorty

Mit zwergenähnlichen Biestern, die in Baumhöhlen leben und den afrikanischen Regenwald beschützen, hat es der*die Leser*in hier nicht zu tun, aber dafür mit Ebu Gogos in Asien: sagenumwobene, behaarte, menschenähnliche Kreaturen, die auf einer indonesischen Insel leben und Nahrung stehlen.
In diesem Text sind die Ebu Gogos aber liebenswürdige Wesen, die für Experimente aus ihrer Heimat entführt wurden. Der 12-jährige Außenseiter Kofi, ein wissenschaftsinteressiertes Rowdy-Opfer, trifft auf ein kleines, seltsames, haariges Wesen namens Rorty. Es stellt sich zunächst aber nicht die Frage, wie er hier gelandet ist, sondern vielmehr warum er keinerlei Erinnerung an seine Vergangenheit hat. Rorty verfügt – als Folge der Experimente – über erstaunliche Fähigkeiten, die auch Kofi zugutekommen: er kann Dinge verschwinden lassen, kopieren und reproduzieren sowie mit Kofi kommunizieren. Der Protagonist entkommt der Opferrolle, wächst über sich hinaus und kann mithilfe seiner (neugewonnenen) Freund*innen das Geheimnis der Herkunft lüften, während wie Nebenbei die ethisch äußerst fragwürdigen Wissenschaftler*innen entlarven und zur Rechenschaft gezogen werden.
Aus dem Engl. v. Annette de Weppen.
Carlsen 2019.
272 S.

FAR DARIK

Cornelia Funke: Reckless. Lebendige Schatten 

In der irischen Mythologie sind es gemeine Kobolde mit langen Haaren, kurzen Schnauzen und dünnen Schwänzen. Aus Irland, in diesem Fall Fianna, stammt auch Robert Lewis Dunbar. Mittlerweile jedoch ist er in Pendragon, der renommiertesten Universitätsstadt Albions, als Historiker tätig. Dort vergräbt sich der Sohn eines reinrassigen FirDarrig hinter seinem von Büchern übersäten Schreibtisch: Man musste brillanter als alle reinmenschlichen Kollegen sein, aber Dunbar war das nie schwergefallen, obwohl sein Vater ihm einen Rattenschwanz und dicht behaarte Haut vererbt hatte. Jacob Reckless sucht den langjährigen Freund auf der Suche nach dem Kopf von Guismund dem Hexenschlächter auf. Die Queste nach den nicht mehr in der Gruft befindlichen Einzelteilen des brutalen Herrschers (der Kopf im Westen, die Hand im Süden, das Herz im Osten) ist Teil einer Schnitzeljagd, die Jacob Reckless zur sagenumwobenen Armbrust Guismunds führen soll. Denn die erfolgreichen Bemühungen um das Leben seines Bruders Will in „Steinernes Fleisch" (mittlerweile von Cornelia Funke in einer neu überarbeiteten Ausgabe aufgelegt) hatte für Jacob den Fluch der Dunklen Fee zur Folge. Nun gilt es, sein eigenes Leben zu retten. 
Mit Illustrationen der Autorin.
Dressler 2012.
416 S.


GEIST

Rebecca Green: Wie man sich mit einem Gespenst anfreundet

Du kannst dich glücklich schätzen, wenn es dir gelingt, dich mit einem Geist anzufreunden, so formuliert das „Alphabet der Monster” über das Verhältnis zwischen Mensch und Gespenst/Geist (die begriffliche Abgrenzung ist etwas unscharf). Wie gut, dass es zu diesem Thema ein ganzes Bilderbuch gibt! Die US-amerikanische Illustratorin Rebecca Green gliedert dieses im Sinne eines Handbuchs in drei Teile: Auf die Einleitung folgt ein Geister-Einmaleins, das in das sensible Wesen der Spezies einführt. Teil 2, Geisterpflege, gibt konkrete Tipps über ihre Vorlieben, und frönt dabei ungehemmt der Lust am Grauslichen – empfohlene Lieblingsleckerbissen sind etwa Schimmeltoast und Ohrenwachstrüffel, ebenfalls hoch im Kurs stehen Gerichte wie Bleichblattsalat mit Spukdressing. Besonders unterhaltsam sind dabei fiktionale Querverweise auf andere hilfreiche Bücher wie „Kreatives Kochen mit Gespenstern". Teil 3 schließlich zeigt unter dem Titel „Gemeinsam durchs Leben", wie die Freundschaft weit über die Dauer eines Menschenlebens bestehen kann. In ihren humorvollen Illustrationen im Retro-Stil setzt Rebecca Green stark auf farblich zurückgenommene, fein schraffierte Bilder und Akzente in Rot- und Brauntönen.
Aus dem Amerik. v. Anna Cramer-Klett.
Diogenes 2019.
40 S.

HAUSELF

Joanne K. Rowling: Harry Potter und die Kammer des Schreckens / Harry Potter und der Feuerkelch / Harry Potter und der Orden des Phönix / Harry Potter und der Halbblutprinz / Harry Potter und die Heiligtümer des Todes


Harry Potter und die Kammer des Schreckens. Ein Film von Chris Columbus / Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1. Ein Film von David Yates

Kleine, haarige Wesen, die nachts rauskommen, um kleine Arbeiten zu übernehmen: der wohl beliebteste Hauself entstammt Joanne K. Rowlings Feder; klein ja, haarig eher nicht, aber dafür mit piepsiger Stimmer, fledermausartigen Ohren und tennisballgroßen Augen steht Dobby am Beginn des zweiten Bands plötzlich in Harrys Zimmer, um ihn an der Rückkehr nach Hogwarts zu hindern. Dobby befindet sich, wie so viele andere Haushelfen auch, in den Diensten einer Zaubererfamilie, in seinem Fall bei den Malfoys. Zunächst als unbeholfenes Wesen mit den besten Absichten versperrt er den Zugang zum Gleis 9 3/4, verhext einen Klatscher und taucht zu den ungünstigsten Gelegenheiten auf, um Harry zu versichern, dass er nur sein Leben retten will. Nach seiner Rettung aus den Klauen der Malfoys durch eine Socke – von diesem Zeitpunkt an sein favorisiertes Kleidungsstück – entwickelt sich Dobby in den weiteren Bänden jedoch zum Retter in der Not. Bis er im finalen Teil Harry, Hermine und Luna aus dem Haus der Malfoys befreit und von Bellatrix Lestranges Dolch getroffen wird; damit kommt es wohl zur traurigsten Szene der Harry-Potter-Filme, als Dobby stirbt und mit der Grabinschrift Hier liegt Dobby, ein freier Elf begraben wird.
Carlsen 1998 / 2000 / 2003 / 2005 / 2007.
335 S. / 704 S. / 1022 S. / 656 S. / 736 S.

USA 2002 / 2010.
159 min. / 146 min.



IMP

Newt Scamander [=J. K. Rowling] / Olivia Lomenech Gill: Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind

Kleine Wichtel mit langen Schwänzen, die es lieben, bei Hexen auf deren Besen mitzufliegen. An ihnen zeigt sich die Auslegungsfreiheit fiktionaler Sachbücher: Rob Hodgson macht sein knallblaues Exemplar zum geflügelten Vamperl, das über den Dächern der Stadt schwebt. Newt Scamander, der britische Magizoologe hingegen, verortet den Imp (gewöhnlich dunkelbraun bis schwarz und dadurch von den farbstarken Pixies zu unterscheiden) in feuchten, sumpfigen Gebieten. Schabernack treiben beide gern. Olivia Lomenech Gill zeigt ihre Imps an einem schilfigen Flussufer – so als würden sie nur darauf warten, die nackten Sohlen eines herumstreifenden Muggels zu kitzeln. Gleichzeitig erinnern Gills Kohlezeichnungen an die Körperstudien eines Auguste Rodin und fügen sich damit in die faszinierende künstlerische Vielfalt der illustrierten Ausgabe jenes Sachbuches aus dem Jahr 1927 ein, das in Harry Potters erstem Schuljahr auf der Pflichtlektüreliste steht. Joanne K. Rowling stellt in ihrem Spin-Off naturwissenschaftliche Grundlagenarbeit detailliert nach; und lässt Newt Scamander im Anschluss an die Roman-Serie zur Hauptfigur jener Filmreihe werden, die vom Aufstieg des schwarzmagischen Zauberers Gellert Grindelwald erzählt, den Albus Dumbledore 1945 besiegt hat.
Aus dem Engl. v. Klaus Fritz.
Carlsen 2017.
138 S.

JINN

Philipp Pullman: Aladin und die Wunderlampe

Ein aus rauchlosen Feuerwirbeln bestehendes, wunscherfüllendes Wesen, das in kleinen Gefäßen wie Flaschen oder Lampen wohnt: Die wohl berühmteste Befreiung eines solchen Wesens entstammt der arabischen Märchentradition. Mag man glauben. Denn das Märchen rund um Aladin und seine schiere Reichtümer spendende Lampe wurde der Märchensammlung „Tausendundeine Nacht" erst im frühen 18. Jahrhundert durch den französischen Übersetzer Antoine Galland hinzugefügt. Nach zahlreichen verkitschten, vor allem filmischen Versionen geht der italienische Illustrator Lorenzo Mattotti hier einen erfreulich anderen Weg. Er nutzt intensive Bunststiftzeichnungen und zahlreiche theatrale Elemente, durch die er zuallererst die Bewegungmuster der Figuren in den Blick nimmt. Wunderbar, wie der Jinn (hier: Dschinn) erstmals aus der titelgebenden Lampe quillt und sich aus dem Rauch/Geist gestrichelter Farblinien manifestiert, um seine wie Feuerzungen wirkenden Hände um Aladin zu schlingen. Ebenso erfrischend wie die (Neu-)Illustration ist die Textfassung von Philip Pullman, der einen Erzählton anschlägt, der frei von Patina ist und dennoch in Motivik und Erzählverlauf der Tradition verpflichtet bleibt. 
Ill. v. Lorenzo Mattotti.
Aus dem Engl. v. Martina Tichy.
Aladin 2014.



KRAKE

Nadia Budde: Krake beim Schneider

Das riesige Seeungeheuer, das mit seinen oktopusartigen Fangarmen ganze Schiffe auf den Meeresgrund ziehen kann, kennen viele vermutlich als Jack Sparrows schicksalshaftes vorübergehendes Ende und als Handlanger dessen Antagonisten Davy Jones. Von der menschenfressenden Unheimlichkeit des Kraken aus „Fluch der Karibik” bleibt jedoch nicht viel übrig, wenn Nadia Budde eine zufrieden dreinblickende Krake (auf der linken Bilderbuchseite) zum Schneider schickt und ihr dort (auf der rechten Seite) zwei lange Kleider über die wabernden Tentakeln zieht. 24 solcher doppelseitigen Kürzestgeschichten hat die deutsche Bilderbuchkünstlerin verfasst. Darin stehen einander jeweils zwei (farbenfrohe, auf das Wesentliche reduzierte) Bilder und zwei (prägnante, sich reimende) Textzeilen gegenüber und verdichten sich zu pointierten Witzen, die Lust auf Sprache, Reimen, Kreativität und das Lesen selbst machen. Etwa dann, wenn ein Löwe (links) durch einen brennenden Reifen springt und die Mähne dabei Feuer fängt: Kleines Malheur / Löwe beim Frisör. Rechts davon werden dem nicht mehr ganz so royalen König der Manege unterschiedliche – nicht wirklich für Freude sorgende – Toupets angepasst ...  
Peter Hammer Verlag 2019.
48 S.

LEVIATHAN

Robert Göschl: Die Geschichte vom Zyphius

Ein Seedrache mit Flossen und Hörnern. Österreichischen Cineast*innen ist ein solches Wesen zumindest vom Sehen bekannt: Als Logo des Filmmuseums dient das Fantasiewesen Zyphius. Mit all seinen schrecklichen Eigenheiten, die in diesem querformatigen Bilderbuch in gereimten, im Duktus ein wenig an die beliebte Geschichte vom „Grüffelo" erinnernden Versen aufgezählt werden, muss es sich jedenfalls um einen nahen Verwandten des Leviathans handeln. In den immer drastischer werdenden und doch irgendwie vagen Beschreibungen (Seine Hautfarbe ist Rot, oder Gelb, oder Blau ... vielleicht auch Grün.) wird das Wesen von Legenden deutlich. Der Text folgt dabei dem Verlauf der knallbunten Bilder: Manchmal schneckenförmig eingerollt, dann wieder an der langen Zunge des furchtbaren Meereswesens ausgerichtet. Während letzten Endes aufgedeckt wird, dass es sich bei dem vermeintlichen Ungeheuer um ein harmloses Meeressäugetier (Ziphius cavirostris, Cuvier-Schnabelwal) handelt, stecken die Bilder, vor allem aber die Buchgestaltung, die ein Poster und Sticker beinhaltet, voller witziger Anspielungen. Mit dem bedeutungsschwangeren Eröffnungsstatement eines kleinen Fischers We gonna need a bigger boat kommen auch die Cineast*innen auf ihre Kosten.
Luftschacht Verlag 2011.
60 S.




MINOTAURUS

Jan Bajtlik: Ariadnes Faden. Götter Sagen Labyrinthe

Wie diese Buchliste zeigt: Die Begegnung mit einem Monster muss nicht immer tragisch verlaufen. Den Weg zu dem Monster namens Minotaurus sollte man jedoch wirklich nicht suchen: Das Halb-Mensch-Halb-Stier-Wesen verschlingt reihenweise Jünglinge sowie Jungfrauen und lebt inmitten eines furchtbar komplizierten Irrgartens. Im Zentrum dieses Labyrinthe-Buchs stehen kleinteilige Wimmelwelten, die je einen Mythos auf eine Doppelseite stellen, aber auch Kapitel, die sich den Olympischen Spielen oder dem Griechischen Theater widmen und so ein scheinbar komplettes Bild der griechischen Sagenwelt samt all den fiesen Monstern abbilden. Das Schrecklichste unter den Schrecklichen scheint allerdings der Minotaurus zu sein: Er prangt groß auf dem Cover und er schnaubt sogar noch einen längst toten Schädel eines seiner Opfer an. Daher lohnt es sich, das eine oder das andere Labyrinth vorab auszutesten, sodass man nicht ausgerechnet bei diesem gehörnten Ungeheuer stecken bleibt.
Aus dem Poln. v. Thomas Weiler.
Moritz 2019.
80 S.

NESSIE

Sandra Lawrence / Stuart Hill: Atlas der Fabelwesen

Das geheimnisvolle, schlangenartige Wesen, das in einem der tiefsten Seen Schottlands lebt, gehört zu jenen sagenumwobenen Kreaturen, die seit Kindesjahren durch die Albträume von Cornelius Walters geistern. Darüber hinaus hat der fiktive britische Forscher auf seinen Reisen im 16. Jhdt. nahezu alle Weltgegenden kartografiert, die dort heimischen Fabelwesen eingezeichnet und beschrieben. Mit einem mysteriösen Manuskript aus dessen Hand wendet sich eine Bibliothekarin mehrere hundert Jahre später an einen Londoner Verleger. Eingebettet in diese Rahmenhandlung eröffnet sich auf den folgenden Doppelseiten ein faszinierendes Panoptikum skurrilster Kreaturen nach dem anderen – die in ihrer Gesamtheit wiederum als der von Walters verfasste „Atlas der Fabelwesen” identifiziert werden können. Die collage-artig darauf platzierten Kommentare der Bibliothekarin sowie ein Buchstaben-Schlüssel für die geheimen Zeichen, die sich Walters am Ende jeder seiner Etappen auf unheimliche Weise offenbarten, ziehen dabei zusätzliche Text- und Reflexionsebenen ein und regen an, aktiv zur Entschlüsselung des Geheimnisses beizutragen.
Aus dem Engl. v. Marianne Harms-Nicolai.
Prestel 2018.
64 S.


OGER

William Steig: Shrek!

Große, hässliche und stinkende Riesen, die auch in europäischen Märchensammlungen ihr Unwesen treiben: Dort zum Beispiel, wo Charles Perraults kleiner Däumling, der ja wie später Hänsel und Gretel im Wald ausgesetzt wird, dort aber nicht auf eine Hexe, sondern eben auf einen Oger trifft. Der berühmteste dieser furchterregenden Wesen ist aber eigentlich ein ganz lieber und entstammt der Animationsfilm-Serie Shrek. Er muss einen geliebten Sumpf verlassen, um die liebreizende Prinzessin Fiona zu ihrem zukünftigen Gemahl zu begleiten. Dass der Kuss der wahren Liebe hier zu einer wahrlich überraschenden Metamorphose führt, ist nur eine der zahllosen Märchen-Anspielungen und intermedialen Verweise, auf denen das Erzählkonzept von „Shrek“ basiert. Unvergessen die Kulleraugen des gestiefelten Zorro-Katers oder Pinocchio, der sich in Anlehnung an „Mission Impossible" in eine Gruft abseilt. Shrek selbst ist übrigens einem Bilderbuch von William Steig entnommen. Und dort ist das Erscheinungsbild des grünen, warzigen Oger seiner Art angemessen: Shreks Mutter sah furchtbar aus und sein Vater war potthässlich, aber Shrek selbst war noch abscheulicher als beide zusammen.
Aus dem Amerik. v. Elmar Kreihe.
Gerstenberg 1991.
86 S.

PIXIE

Christine Nöstlinger: Der Zwerg im Kopf

Kleine, gutmütige Gesellen, die nur Unfug im Kopf haben. Die Pixies sind die englische Version der Wichtel. Ihrer modischen Auffälligkeit entspricht auch jene des wohl berühmtesten phantastischen Freundes der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur: Ein winziger Zwerg war das. Samt violetter Zipfelmütze nicht größer als Annas Fingernagel. Der kleine Wicht lebt nach kurzer Kennenlernphase in Annas Ohr und übernimmt dort die Funktion eines auditiven Alter Egos. Er begehrt auf und schlägt verbale Radikalität vor, wo Anna selbst unsicher ist oder zurückhaltender agiert hätte; und mischt dieserart Annas Leben auf.
Christine Nöstlinger erzählt im Wiener Idiom einen ihrer wohl witzigsten tragi-komischen Familienromane. Anna sieht sich durch die geschiedenen Eltern nicht eben einfachen Situationen gegenüber; dazu kommt noch eine erste Liebe – wobei das Objekt ihres Begehrens leider nicht deckungsgleich mit jenem ist, das Anna seinerseits mit Liebe zu belästigen gedenkt. Was tun? Nun, es mag zwar aus der Perspektive Annas erzählt werden. Das Sagen aber hat immer noch der Zwerg. Irgendwann wird Anna sich wohl auch von ihm emanzipieren müssen …
Ill. v. Jutta Bauer.
Beltz & Gelberg 1994 [OV Beltz & Gelberg / Jugend & Volk 1989]. Gulliver TB 2009.
186 S.




QUESTENTIER

Star Trek: The Next Generation.
Eine TV-Serie von Gene Roddenberry

Die Abenteuer der USS Enterprise sind besonders futuristisch, die Erzählstruktur dahinter jedoch uralt: So begibt sich die Crew rund um Captain Jean-Luc Picard auf eine sieben Staffeln umfassende Aventiure, die sich von dem Konzept des Artus-Romans einige Scheibchen abgeschnitten hat. Der in der Forschung stets hervorgehobene „Doppelweg“ wird durch das Questentier namens „Q“ vervielfacht. Wie in der mittelhochdeutschen Narration narrt das hybride Wesen auch das beste, stärkste und schnellste Schiff der Föderation, indem es sich immer wieder unangekündigt auf das warpbetriebene Wunderwerk beamt und um einmal sogar den Kapitän höchstpersönlich zu kidnappen. Das Questentier scheint hier wie dort Gefallen am Gejagtwerden zu finden, ebenso wie an der Rolle des tragikomischen, missverstandenen Lehrmeisters, der die Held*innen an ihre Grenzen bringt. Im Falle der Enterprise ist das die erzwungene Konfrontation mit den übermächtigen (Cy-)Borgs, auf die Jean-Luc nicht – wie bei seiner eigenen Entführung – gelassen reagiert, sondern ordentlich grantig wird und das stets närrische Questentier „Q“ zum Teufel schickt.
USA 1987-1994.
7 Staffeln.

ROCH

Sinbad - Der Herr der sieben Meere. Ein Animationsfilm von Tim Johnson

Ein riesenhafter, starker und rachsüchtiger Vogel der Seefahrer in Angst und Schrecken versetzt. In zwei von Sinbads sieben Reisen (europäische Hinzufügungen zu den Märchen aus Tausendundeiner Nacht) spielen die geraubte Eier des Roch eine wesentliche Rolle. Wenn Sinbad hingegen im  Animationsfilm aus dem Hause Dreamworks das Buch des Friedens nach Syrakus zurückbringen soll, ist der Vogel Roch ein von Eris – der Göttin des Chaos – gesandtes Wesen. Sie hat die See rund um Sinbads Schiff an den Gestaden der Granittore vereist und lässt den Roch mit seinen gewaltigen Schwingen wie ein dieser Schneelandschaft entsprungenes Wesen erscheinen. Einem riesenhaften Adler gleich verlaufen seine weißen Flügelfedern im Blau des nordischen Eises. Er bekommt Marina in seine blauen, pickelharten Krallen. Und obwohl (vorerst, wohlgemerkt) nur Zank und Streit herrscht zwischen Sindbad und der Verlobten seines Freundes Proteus, dessen Leben es mit dieser Reise zu retten gilt, macht Sinbad sich im Wikingerstyle auf, um Marina vom tausend Fuß hohen Eisturm zu befreien. James Bond und Jon Snow hätte ihre wahre Freude daran. 
USA 2003.
85 min.




SPHINX

Michael Ende / Sebastian Meschenmoser: Die unendliche Geschichte

Ein hybrider Dämon, der mit seinem menschlichen Kopf, seinem Löwenkörper und den Adlerflügeln den Eingang zu Stadt Theben bewacht. Oder aber ein Felsentor – und damit den Weg zum Orakel Uyulála in Phantásien. Als man in Michael Endes 1979 erstmals erschienenem Roman auf die beiden Sphinxen trifft, schlägt die Turmuhr in Bastians Welt drei. In Phantásien ist Atréju auf der Suche nach einer Möglichkeit, die kindliche Kaiserin zu retten. Wenig später werden die beiden Welten einander kurz berühren, wird Atréju im Zauberspiegel-Tor einen in Decken gewickelten Jungen sehen, der in einem Buch liest. Das Zauberspiegel-Tor jedoch offenbart sich Atréju erst, nachdem er das Große Rätsel-Tor durchschritten hat. Sebastian Meschenmoser utopiert die beiden Sphinxen davor als männliche und weibliche Figur, die schwer und gleichzeitig grazil auf ihren Körpern ruhen und wechselseitig ihre Blicke bannen. Sie scheinen damit weniger aus Stein, als in der Situation erstarrt. Man selbst blickt gemeinsam mit dem zwergenhaften Atréju an ihnen vorbei ins Unendliche. Und ist einmal mehr fasziniert von der Intensität der Ölbilder dieser Neuausgabe, die Sebastian Meschenmoser im November 2019 im Rahmen eines >>>STUBE-Freitag in Wien präsentiert hat.
Thienemann 2019.
416 S.

 

TROLL

J.R.R. Tolkien: Der kleine Hobbit

Übellaunige Monster mit knorrigen, hässlichen Gesichtern, die jeden und jede fressen, die ihren Schlaf stört, und die zu Stein werden, sobald sie das Sonnenlicht berührt. Letztere Eigenschaft wird zu einem der Schlüsselmomente in J.R.R. Tolkiens allererstem literarischen Text, der jenen phantastisch-mythologischen Kosmos eröffnet, in dem der britische Autor auch seine weiteren Fantasy-Epen verorten wird. Auf einer Queste quer durch Mittelerde, wobei der Hobbit Bilbo Beutlin 13 Zwergen helfen soll, ihren von dem Drachen Smaug gestohlenen Schatz zurückzuerobern, geraten die Helden in die Gefangenschaft dreier hungriger Gebirgstrolle. Dank der List des Zauberers Gandalf bleiben diese aber so lange beschäftigt, bis die Sonne aufgeht – und die Trolle zu Stein erstarren. Anders als „Der Herr der Ringe” wurde dessen Vorgeschichte dezidiert für ein kindliches Publikum verfasst. Als Stand-alone ist der deutlich kompaktere Texte zudem um Einiges flüssiger und leichter zu lesen – auch wenn die ausgedehnte dreiteilige Filmadaption anderes nahelegt. Klaus Ensikats detaillierte Schwarz-Weiß-Zeichnungen der Abenteuer der Reisenden erinnern dabei an mittelalterliche Ästhetiken ebenso wie märchenhafte Bildtraditionen und entführen in die mythische Welt Tolkiens.
Ill. v. Klaus Ensikat.
Aus dem Engl. v. Walter Scherf.
dtv junior 2012.
336 S.




USHI-ONI

Masashi Kishimoto: Naruto

Ein riesiges krabbenartiges Seemonster, das den Kopf eines gehörnten Büffels trägt. Die Darstellungen des Ushi-Oni variieren in der japanischen Mythologie ungemein. Je nach Region, tritt er mit Krabben- oder auch Spinnenbeinen auf, mancherorts wird ihm sogar ein menschlicher (häufig mit einem Kimono bekleideter) Körper nachgesagt, wodurch die Kreatur auch an den griechischen Minotaurus erinnert. In der erfolgreichen Mangaserie „Naruto“ sitzen unter dem Büffelkopf von Hachibi hingegen acht riesige Tentakeln. Er ist einer von neun mächtigen Dämonen, die seit Jahrhunderten die phantastische Welt von Naruto heimsuchen und vor nicht langer Zeit von einem mächtigen Ninja in die Körper von Menschen – u. a. auch des jungen Naruto – gebannt wurden. Während der aufmüpfige Naruto, der ebenfalls ein Ninja werden will, deutlich Mühe hat, den neunschwänzigen Fuchsgeist Kyubi in seinem Inneren in Schach zu halten, scheint der souveräne Killer B – eine der skurrilsten Figuren der Serie – alles im Griff zu haben und steht mit seinem krakenartigen, büffelköpfigen inneren Dämon in freundschaftlicher Symbiose – wenn auch Killer Bs Eigenart, ständig nur in rhythmisch getimten Rap-Lyrics zu sprechen, den Ushi-Oni oft ganz schön auf die Palme bringen kann… Weit über Japan hinaus hat die amüsante Mangaserie rund um Naruto bereits Kultstatus erreicht und wurde unter demselben Titel auch als sehenswerte Animeserie verfilmt.
Aus dem Japan. v. Jens Ossa, Miyuki Tsuji und Nadja Stutterheim.
Carlsen 1999-2014.

VAMPIR

Joseph Sheridan Le Fanu: Carmilla, die Vampirin

Sie steigen nachts aus dem Sarg und laben sich am Blut der Lebenden. Durch Bram Stokers 1897 erschienenes, prototypisches Werk werden sie gerne mit dem rumänischen Herrscher Vlad Dracul zur Deckung gebracht. Die Steiermark hingegen hätte man nicht als vampirischen Herkunftsort vermutet: In Styria, we, though by no means magnificent people, inhabit a castle, or schloss. So setzt der aus dem Jahr 1872 stammende Roman des irischen Autors ein. Wir befinden uns an einem lonely und primitive place und folgen einer jungen Protagonistin, deren Vater auf die Bitte eines Freundes hin ein mysteriöses Mädchen bei sich aufnimmt. Momentary horrors beschleichen Ich-Erzählerin Laura beim Anblick dieser Carmilla, die einer Albtraumerscheinung aus Lauras Kindheit ähnelt. Dennoch handelt es sich bei Carmilla um das wohl schönste Wesen, das Laura je gesehen hat. Wiewohl sie unter Tags ein wenig blass und schlapp wirkt; sich in der Nacht aber fast raubtierhaft bewegt … Es sind weniger die volkstümlichen, südosteuropäischen Traditionen, die der irische Autor hier aufgreift, als vielmehr die Nähe des weiblichen Vampirs zur biblischen Figur Lilith, die in talmudschen Quellen auch als Nachtdämonin auftaucht.
Aus dem Engl. v. Helmut Degner.
Diogenes 2011. [OA 1872]
128 S.




WERWOLF

Red Riding Hood. Ein Film von Catherine Hardwick

Sie sind starke, furchtlose Wesen, die sich bei Vollmond verwandeln. Der Horror dieser Monster resultiert aus der Gleichzeitigkeit von Mensch und Wolf – die sich auch sprachlich abzeichnet: Das germanische Wort „wer“ bedeutet der Mann; zu tun haben wir es also mit einem Mann-Wolf. Wobei den Mann/der Mensch sich seiner gleichzeitigen Existenz als Wolf immer bewusst ist. Doch ist sich auch der Wolf seiner menschlichen Seite bewusst oder agiert er ausschließlich triebhaft? Diese Frage stellt sich auch dort, wo die Figur des Werwolfs mit der Rotkäppchen-Geschichte zusammengeführt wird. Klar ist: Der Wolf, der bei Vollmond sein Unwesen im Dorf treibt, hat Affinität zu Valerie. Aber welche? Catherine Hardwicks Film peppt den Horror der mysteriösen Ereignisse mit einer schmeichelweichen Liebesgeschichte auf, die sie als klassisches Liebesdreieck inszeniert. Wenn Valeries rotes Cape durch die grüne Wald- und weiße Winterlandschaft weht, bleibt im Sinne der Suspense lange unklar, ob nicht der attraktive Holzfäller Peter, oder gar der von Valeries Mutter bevorzugte Gent Henry Valeries Leben bedrohen. Und warum nutzt die Großmutter in einer Traumsequenz  die Worte des Wolfes aus „Rotkäppchen“?
USA 2011.
100 min.

XING TIAN

Walter Moers: Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär

Es ist zwar kein mutiger chinesischer Riese, der seinen Kopf bei einem Kampf gegen ein anderes übernatürliches Wesen verloren hat, von dem der blaue Seebär in seinen Memoiren berichtet, aber ebenfalls ein kopfloser Riese: Die bis zu zwei Kilometer hohen Bolloggs sind dafür bekannt, dass sie ihre Köpfe von Zeit zu Zeit irgendwo ablegen und ohne diese weiterwandern. In den Büchern des fabulierfreudigen Walter Moers wimmelt es nur so von skurrilen tierischen, menschlichen und allerart hybriden Daseinsformen, die den phantastischen Kontinent Zamonien bevölkern. Der erste (erstmals 1999 erschienene) Band der dort angesiedelten, mittlerweile siebenteiligen Reihe, die sich durch Moers’ ironisches Spiel mit Metafiktion, Intertextualität und Autorfiktion auszeichnet, berichtet von der episodenhaften Heldenreise des schelmenhaften Käpt’n Blaubär, der einmal quer durch Zamonien reist. Sein Weg nach Atlantis wird ihm dabei durch einen abgelegten und von seinem Besitzer vergessenen Bolloggkopf versperrt, weshalb er (vom rechten zum linken Ohr) quer durch den Kopf und das Gehirn des Super-Riesen muss. Dort ist es ausgerechnet eine schlechte Idee – ein tropfenförmiges Geschöpf, das durch das Zusammentreffen von zwei Lösungen entsteht –, die ihm hilft, aus dem Bolloggkopf hinauszufinden.
Knaus 2013.
720 S.




YETI

Dieter Braun: Die Welt der Berge

Scheue Bergwesen, die im Himalaya durch entlegene Wälder streifen, sich womöglich aber für ein Eis auf einem Selfie ablichten lassen würden. Diese augenzwinkernde Vermutung aus dem „Alphabet der Monster” erinnert an den wahrscheinlich sympathischsten Yeti der Populärkultur: Gegen Ende des Animationsfilms „Monster AG” (2001) landen Sulley und Mike für kurze Zeit in den nepalesischen Bergen, wo sie einem zotteligen weißen Riesen begegnen, der ihnen in schwäbischem Dialekt knallgelbes Zitroneneis anbietet. Weniger eindeutige Beweise für die Existenz des Yetis liefern außerfiktionale Berichte von unerschrockenen Forscher*innen, über die auch Dieter Braun in seinem Sachbuch über die Dächer dieser Welt berichtet. Neben den eisigen Gefilden des Yetis entführt der deutsche Illustrator darin auch in feuerspuckende, abgetragene und sandige Höhen (bzw. Tiefen) und beschäftigt sich anhand von spannenden geologischen Details und kulturellen Hintergründen mit dem Verhältnis von Mensch und Berg(bewohner*innen). Dem Text zur Seite gestellt werden ästhetisch markante Bilder, die sich aus verschiedenen geometrischen Elementen zusammensetzen, jeweils unterschiedlichen Farbschemata folgen und dabei ebenso modern wie historisierend wirken. 
Knesebeck 2018.
96 S.

ZOMBIE

Olivia Vieweg: Endzeit

Es sind eigentlich missverstandene Wesen, die von Medizinmännern zurück ins Leben geholt wurden. Anders als der ebenfalls untote, durch seine Körperlichkeit bestimmte Vampir sind sie sich ihrer eigenen Existenz jedoch nicht bewusst. Und schlurfen hungrig nach Lebenden durch zumeist apokalyptischen Welten. Dass sie eine besondere Affinität zum Comic haben, hat bereits „The Walking Dead“ (später auch eine Fernsehserie) gezeigt. Den Schwarz-Weiß-Charakter von Robert Kirkman und seinem Team an Zeichnern wandelt die deutsche Comickünstlerin in die orange-rot-violetten, giftig wirkenden Farben einer Welt, die wohl der Öko-Apokalypse verfallen ist. Zumindest wachsen diesen Zombies kleine Ästchen aus dem Gesicht. In dieser Welt der Begrenzungen und Ausgrenzungen versuchen die beiden Protagonistinnen Vivi und Eva einen Ort der Befriedung zu finden. Die gerahmten, konstant dreizeilig angeordneten Panels fokussieren dabei  auf die bedrohten Gliedmaßen der Figuren, auf deren angstvoll in Szene gesetzte Gesichter. Und dennoch: Trotz äußerer und innerer Verwüstung schaffen es die beiden Mädchen, einander auf ihrer adoleszenten Suche die ganze – verbleibende – Welt zu sein.
Carlsen Comic 2018.
288 S.

 

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