Karen Köhler: Himmelwärts.
Mit Bildern von Bea Davies.
Hanser 2024.

Sternschnuppen gegen die Trauer

Auch wenn jede*r um die unabänderliche Existenz weiß, ist er zugleich das Unbegreifbarste: Der Tod. Die kinder- und jugendliterarische Auseinandersetzung kennt viele Formen, die zur Thematisierung einladen, Unbegreifbares versuchen in Worte zu fassen oder trösten. Zu letzteren zählt auch das Kinderbuchdebüt der deutschen Schauspielerin und Autorin, die mit „Himmelwärts“ ein Theaterstück in einen erzählenden Text umgewandelt hat. In authentischem Ton, der stets nahe an der kindlichen Lebensrealität bleibt, erzählt Köhler zwischen Humor und Traurigkeit changierend von Toni. Toni, die ihre Mutter an den Krebs verloren hat und die mit ihrer weltraumaffinen besten Freundin YumYum eine Nacht im Zelt verbringen wird. Zeitlich auf diese eine Nacht begrenzt, eröffnet sich ein Text rund um ein selbstgebasteltes Weltraumradio, mit dem die verstorbene Mutter angefunkt werden soll, eine Pyjamaparty samt Zuckerschock und einer Leere im Inneren der 10-jährigen Protagonistin, die nur bedingt gefüllt werden kann. Die Unendlichkeit des Weltraums wird dabei unterschiedlich aufgeladen: Einerseits wird ganz der Naturwissenschaft verpflichtet ein Funkgerät gebaut, mit dem die Mädchen zwar nicht die Mutter, aber dafür die ISS und die Astronautin Zanna erreichen. Mit ihr sprechen sie alle 80 Minuten, wenn die Raumstation die Erde einmal umrundet hat, darüber, das Vermissen viele Namen und Formen kennt – vom Gefühl von Gras unter den Füßen bis zum Verlust naher Angehöriger. Andererseits wird er aber auch als Jenseitsraum konnotiert und als jene Unendlichkeit, in der selbst Tonis Traurigkeit ausreichend Raum erhält. Dadurch eröffnet sich eine philosophische Dimension gleichermaßen wie ein Verweilen im Hier, das in der Sichtung einer Sternschnuppe gipfelt.
Die Trauer der Ich-Erzählerin, der in abgesetzten Erinnerungspassagen, die mit „Tonis Notizbuch“ übertitelt auf hellblauem Grund nachgespürt wird, bleibt vordergründig, wird aber in eine kindliche Lebenswelt eingebettet, in der die Leser*innen immer wieder direkt angesprochen werden und in der auch trotz des großen Vermissens Platz für ausgelassene Momente bleibt. Die Illustrationen in einer reduzierten Farbpalette der deutschen Künstlerin Bea Davies erzählen den Text weiter, intensiviert Geschriebenes und eröffnen dort ein Innehalten, wo es die zwar leichtfüßig erzählt, aber dennoch bedrückende Thematik braucht.

Alexandra Hofer

 

 

 

 

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