Hrsg. SIKJM (Schweizerisches Institut
für Kinder- und Jugendmedien).
Chronos 2018. € 48.

Atlas der Schweizer Kinderliteratur.
Expeditionen & Panoramen

Sie wollen verreisen? Nicht zu weit weg, aber doch mit Expeditionen ins PHantastische und mit prächtigen Panoramen? Wie wäre es mit der Schweizer Literaturlandschaft? Dann käme Ihnen dieser „Atlas der Schweizer Kinderliteratur“ gerade recht. Dieser in jeder Hinsicht gewichtige, reich illustrierte Band ist soeben zum 50-Jahre Jubiläum des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM) erschienen.

Das Buch ist eine bibliophile Augenweide: in elegantes blaues Halbleinen gebunden, mit Ausstanzungen am Cover, die als Gucklöcher den Blick auf Bildausschnitte freigeben, einem großzügigen Layout sowie eigens für diesen Band geschaffenen Illustrationen arrivierter Schweizer Künstler*innen.

Das zugrunde liegende Konzept hat etwas Spielerisches und ist so klug wie abwechslungsreich: Inspiriert vom Ansatz der Literaturgeographie, die literarische Schauplätze – seien dies nun reale, fiktive, erträumte oder ersehnte Orte – für eine Textanalyse heranzieht, beleuchten 20 Beiträger*innen die Entwicklung der aktuellen Schweizer Kinderliteratur. Dies ergibt eine äußerst kurzweilige Lektüre und bietet für jede Lese-Reisende und jeden Lese-Reisenden etwas. Ganz zu Recht betont Anita Müller also im Vorwort: „Die Schweizer Kinderliteratur ist an vielen Orten zu Hause.“ Die Verfasser*innen kommen aus unterschiedlichen Bereichen und ihre gewählten Zugänge sind vielfältig. Beiträge unterschiedlicher Länge wechseln einander ab, auf wissenschaftliche Aufsätze folgen launige Essays, akademischer Ernst wird durch Anekdoten und humorige Betrachtungen ergänzt.

Der „Atlas“ verortet Geschichten und führt nicht nur in die kinderliterarische Welt der Fantasien, Träume und Emotionen, sondern auch auf Heidis Alm (die Ehre dieses literarisch-medialen Alpinbesuches kommt einer österreichischen Heidi zu), ins Gebirge, in die Städte, über Grenzen (überwunden durch Migration und Übersetzungen) und ins Weltall. Der Dschungel der Worte, das Reich der Sprachspiele und das der Schweizer Mundarten werden ebenso durchquert wie die Abenteuerwelten einer Federica de Cesco oder jene der Schweizer Kinderbuchszene. Wilhelm Tell fehlt genau so wenig wie Klassiker der Weltliteratur, die von Hannes Binder oder Käthi Bhend neu ins Bilderbuch gerückt wurden und die Grenzen zwischen Erwachsenen- und Kinderliteratur aufzuheben scheinen; selbst der erstaunliche Zusammenhang zwischen Zoobesucher*innen und Bilderbuchleser*innen wird erklärt.

So unterschiedlich wie die Beiträge sind auch die Illustrationen des „Atlas“: Jedem Aufsatz ist eine doppelseitige, imaginäre Landkarte vorangestellt; die Schweizer Künstler*innen greifen das Thema des Textes auf, interpretieren und spinnen es eigenständig weiter. Unwillkürlich macht man sich nach Lesen eines Aufsatzes nochmals auf Motivsuche im dazugehörigen Bild und entdeckt häufig Neues und  Amüsantes. Rätselt man vielleicht vor Lesen des Beitrages über die Schweizer Mundart noch ein wenig über den blauen Elefanten mit grünen Flossen in Anna Luchs‘ Illustration, so scheint danach alles klar … Berühmte Künstler*innen wie Hannes Binder finden sich ebenso wie die Newcomerin Francesca Sanna und die in unterschiedlichen Stilen und Techniken gefertigten Bilder gewähren einen beeindruckenden Über- und Ausblick auf die Schweizer Illustrationsszene.

Der „Atlas“ bietet Orientierung und informiert hervorragend über die Schweizer Kinderliteratur der letzten beiden Jahrzehnte, über ihre Trends und möglichen Querverbindungen; vor allem aber lädt er ein, auf Entdeckungsreise zu gehen, neugierig zwischen den Seiten zu flanieren – denn wie wir alle wissen: Die schönsten und spannendsten Orte entdeckt man oft nur durch Zufall.

Barbara Burkhardt

 

An dieser Stelle herzliche Gratulation an das SIKJM zu seinem 50-jährigen Bestehen. Feiern durften wir mit Euch im September. An dieser Stelle geht der herzlicher Dank der STUBE an Euch, das SIKJM und seine Mitarbeiter*innen – für die jahrelange freundschaftliche Verbundenheit, die wunderbare Zusammenarbeit und die Einladung, am „Atlas“ mitzuwirken. Gern erinnerte Höhepunkte gemeinsamer Veranstaltungen waren der STUBE-Freitag zum >>>Gastland Schweiz sowie das „dreisprachige“ Lyrik-Podium im Rahmen der STUBE-Fernkurs-Tagung >>>gorkicht im gemank
Im Sinne der institutioneller Freundschaften haben wir mit Barbara Burkhardt eine Mitarbeiterin des Instituts für Jugendliteratur gebeten, den „Atlas“ für die STUBE zu rezensieren, sodass Wien und Zürich in mehrfacher Hinsicht zueinander kommen.

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