Kröte des Monats März 2016
Erzählt von Heinz Janisch. Mit Bildern von Lisbeth Zwerger.
NordSüd Verlag 2016. 160 Seiten. € 22,70.
Geschichten aus der Bibel
Die Bibel ist kein Buch, sondern eine Bibliothek. Dieser Satz fällt oft, wenn es um eine einigermaßen fundierte Auseinandersetzung mit der Bibel geht (und er eröffnet auch das Nachwort des hier besprochenen Buches). Für den Bereich der Kinder- und Jugendliteratur hat er eine besondere Brisanz: Denn das, was im gängigen Verständnis (und in den entsprechenden Marketingunterlagen der Verlage) als Kinder-, Jugend- oder Familienbibeln bezeichnet wird, sind in den meisten Fälle eben keine Bibeln im kanonischen Sinn, sondern eine Auswahl daraus. Und es sind Bücher – deren Gestaltungsform, Machart und Format nicht belanglos, sondern ebenfalls wesentliche Aspekte der Vermittlung von biblischen Texten sind.
Die „Geschichten aus der Bibel“, die Heinz Janisch und Lisbeth Zwerger nun bei NordSüd in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bibelgesellschaft vorlegen, sind gleichzeitig auch die Geschichte bzw. Weiterentwicklung eines besonderen Buches: Bereits im Jahr 2000 gestaltete Lisbeth Zwerger großformatige, eindrückliche Bildtafeln zur Bibel, die damals herausgegeben von der Deutschen Bibelgesellschaft zu ausgewählten Texten aus der „Gute Nachricht Bibel“ erschienen. Mit zahlreichen Anspielungen und Zitaten aus der Kunstgeschichte, aber auch spannenden Aktualisierungen, unter anderem in der zeitlos wirkenden Gestaltung der handelnden Figuren, interpretiert sie bekannte Texte neu. Radikal verzichtet sie auf gängige Motive: Statt dem Regenbogen, der in nahezu jeder Bibelausgabe für Kinder abgebildet ist, zeigt sie ein Wildschweinpaar, das unternehmungslustig durch den Weißraum der Seite galoppiert. Nun erscheinen diese Bilder, ergänzt um drei neue, in einem anderen Buch: Diesmal erzählt Heinz Janisch, Mathias Jeschke, der 2000 in der Redaktion war, verfasste Kommentare und ein Nachwort. Seine zwischen die Erzähltexte gestellten Ausdeutungen bieten in einfacher und gut verständlicher Sprache Einordnungen und Kontextualisierungen, sie stellen Zusammenhänge her und spannen immer wieder auch den Bogen vom Alten zum Neuen Testament: So wird etwa nach dem Turmbau zu Babel darauf verwiesen, dass der Zustand der Sprachverwirrung im Pfingstwunder „vorausblickend auf den Heilsplan Gottes bereits zeichenhaft aufgelöst werden wird.“
Heinz Janischs Erzählton bleibt nah an den bekannten Textfassungen, er widersteht der Versuchung, die Geschichten allzu sehr auszuschmücken, setzt aber doch bemerkenswerte Akzente: Ganz an den Anfang, vor die Erschaffung der Welt, stellt er mit „Am Anfang war das Wort“ einen Satz aus dem Prolog des Johannesevangeliums, womit gleichzeitig die Rolle des Erzählens – und des Erzählers – betont wird. An einigen Stellen nimmt er behutsam sprachliche Aktualisierungen vor, wenn etwa Jesus in der Bergpredigt davon spricht, dass jede und jeder wichtig sei.
Die Textauswahl wurde geringfügig verändert: Neu sind die Geschichten von Josef und seinen Brüdern und vom zwölfjährigen Jesus im Tempel, leider weggelassen wurden unter anderem Psalmen und Lieder. Die Buchgestaltung, auf deren Rolle eingangs kurz verwiesen wurde, ist als rundum gelungen zu bezeichnen: Großformatig und schwergewichtig, mit edlem roten Leinenrücken, wird Bild und Text jeweils viel Platz gegeben, die Variation von ganzseitigen Bildern, kleineren Illustrationen und ganz zurückgenommenen Vignetten bietet viel Abwechslung. Eine Bibliothek und ein Buch also.
Kathrin Wexberg
>>> hier geht es zu den Kröten 2016