Kröte des Monats Dezember 2015
Aus dem Engl. v. Peter Baumann. Lappan 2015.
32 S., € 13,40.
Anthony Browne: Abenteuer mit Willi
Willi ist ein Weltenbummler der besonderen Art: Er bummelt durch die Welt der Kunst und bewegt sich dabei eigentlich nicht von seinem Arbeitstisch oder von seinem Sofa weg. Waren es in „Willi der Träumer“ (1997) die Bilderwelten von Literatur, Film und Malerei, die er erkundete, machte er sich in „Willi der Maler“ (2000) selbst ans Werk und ließ mit Lust am Zitat und Liebe zum Detail bekannte Werke der Kunstgeschichte aufeinander folgen, wobei oft nur Ausschnitte oder Bildideen aus dem Original übernommen wurden.
In diesem großformatigen Bilderbuch betritt nun Anthony Brownes mittlerweile über dreißig Jahre alte Lieblings-figur wortwörtlich literarisches Terrain. Mit jedem Umblättern breitet er ein neues, verblüffendes Abenteuer vor den Leser*innen aus und stellt auch stets die ganz konkrete Frage, in welcher Roman-Welt er sich wohl befindet. Ein zielgruppenspezifi-sches Zugeständnis? Oder eine Möglichkeit, die Geschichte auch abseits jedes Wieder-Erkennens des Szenarios eigenständig weiterzuspinnen und in einer ganz anderen Version neu zu erzählen? Willi jedenfalls ficht (im Blätterkleid) Kämpfe mit einem Kapitän aus, der einen Eisenhaken statt einer Hand trägt; er wird samt seinem Häuschen von einem Wirbelsturm davon getragen; er klettert entlang eines goldhaarigen Zopfes einen Turm hinauf. Anthony Browne, der Meister des Bild-Zitates, lässt den kleinen Gorilla also durch das Kaninchenloch der Kinderbuch-Klassiker stürzen und greift statt des Töpfchens mit Orangenmarmelade Erzähl-Szenen aus dessen Regalen. Ein gestrandeter Willi entdeckt an einem Freitag einen Fußabdruck im Sand und ein mit Pfeil und Bogen durch die Wälder ziehender Willi wird von einem heiligen Bruder über den Fluss gebracht.
Diese dieserart durchschrittene Welt der Bücher zeichnet sich auch in der Bildkomposition ab: Egal ob der Wind durch geheim-nisvoll verknorpelte Weiden in moosartigem Grün weht oder die Wellen Willis holzpuppenhafte Glieder vor dem Riesenmaul eines Haifisches aufschwappen lassen – immer bleiben Bücher integrativer Bestandteil der Bildwelten. Um diese aufzuspüren, braucht es jedoch einen durchaus genauen Blick. Auch die „Grundlage“ jedes literarischen Werkes, der Schreibstift, ist in den Bildern variantenreich versteckt. Wer braucht da noch umfangreiche theoretische Einführungen in die Kinderliteratur, wenn er einfach dem kleinen Gorilla mit den verschiedenfarbigen Socken folgen kann?
Heidi Lexe
Für das Kennenlernen der hier neu-inszenierten Kinderbuch-Klassiker ist das Vorlesen ein wesentliches Moment – umfangreiche Informationen dazu finden sich in der Broschüre „Faszination Vorlesen. Geschichten und Sprache gemeinsam erleben“, die das Österreichische Bibliothekswerk gerade herausgegeben hat. Passend dazu finden Sie hier
>>> eine Liste von Büchern, in denen das Vorlesen eine zentrale Rolle spielt – oder die sich gut zum Vorlesen eignen.
Zeitgerecht zur vorweihnachtlichen Büchersuche erscheint eine weitere Buchliste, die die schönsten >>>Kinderbuch-Klassiker zusammenführt. Dann können Sie sich auf Willis Spuren begeben und Alice, Pinocchio und Co. neu kennenlernen.
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