Kröte des Monats Februar
2013
Beltz & Gelberg 2012.
160 S., € 17,50.
Sonja Eismann / Chris Köver / Daniela Burger: Mach´s selbst. Do it yourself für Mädchen.
Der Februar markiert buchtechnisch gesehen ja irgendwie eine Zäsur: Soll man die Highlights aus dem Herbstprogramm nachlesen? Oder schon die ersten Fahnen und Leseexemplare der neuen Produktion sichten? Man kann den Februar aber auch einfach nutzen, um mal was ganz anders zu machen als zu lesen: Eine Band gründen. Strickgraffiti machen. Ohrringe aus Computerteilen bauen. Einen Platten flicken. Rassismus bekämpfen.
Unterstützung für all diese und weitere rund 50 Projekte bietet ein ganz besonderes Buch aus dem letzten Jahr: "Mach´s selbst" vereint vielfältige Anregungen zum DIY (Do it yourself) und trifft dabei den Zeitgeist. Egal, ob man es dem "neuem Biedermeier" oder "Cocooning" zuordnen mag – Selbermachen boomt und ist wohl als Reaktion auf die Unüberschaubarkeit unserer Welt verstehbar. "Gerade in weltumspannenden Krisenzeiten besinnt man sich schließlich aufs Vertraute: […] Es geht schlicht darum, Übersichtlichkeit wiederherzustellen […] die Dinge, mit denen wir uns umgeben, zu entmystifizieren. Mit anderen Worten: sie selber zu machen", so Philosoph Matthew Crawford.
Der vorliegende Ratgeber schwimmt auf dieser Welle mit, beschränkt sich aber nicht nur auf die persönlich heilsame Wirkung von Basteln, Nähen, Gärtnern oder Backen, sondern versteht – ganz im Gegenteil – DIY auch gesellschaftspolitisch. Selbermachen erfordert und erzeugt Engagement. Engagement wiederum braucht es für notwendige Veränderungen in dieser Welt.
Sonja Eisman, Chris Köver und Daniela Burger – Herausgeber*innen des coolen Missy Magazine, einer feministischen Zeitschrift über Popkultur – verstehen es, mit diesem Buch zu motivieren: Wie kann man mit eigener Musik politisch aktiv werden und auch gleich selbst die PR dafür checken? Wie erstellt man einen Blog und warum sollte man dabei auf diskrimierende Sprache verzichten? Was testet der Bechdel-Test und was ist eigentlich ein Poetry-Slam? Alle Anleitungen sind verschiedenen Kapitel (etwa "Reagieren + Analysieren", "Crafting" oder "Musik machen") zugeordnet und auf jeweils 3 bis 4 Seiten übersichtlich und ansprechend dargestellt. Das Besondere der Texte ist der durchgehend kluge Ton, der Jugendliche anspricht, ohne Dinge zu simplifizieren. Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit sind als Themen dabei immer spürbar, aber nie anbiedernd. Biografien von und Interviews mit den Beiträgerinnen aus den verschiedensten Szenen ergänzen das gelungene Konzept, das ein Lehrstück über moderne Freizeitgestaltung einerseits, über moderne Frauenbewegung andererseits darstellt. Dementsprechend ist auch der Titelzusatz "für Mädchen" lesbar: "In diesem Buch verwenden wir, anders als das sonst üblich ist, durchgehend die weibliche Anrede. Das heißt aber natürlich nicht, dass sich Jungs und Männer nicht ebenso davon angesprochen fühlen sollen – do it yourself ist für alle."
Für alle, die nicht auf jemand anderen warten und die Stereoanlage gleich selber verkabeln wollen. "Selbermachen macht unabhängig!" Packen wir´s an.
Christina Ulm
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