Kröte des Monats Februar 2010
Residenz 2009
128 S., € 12,90
Christoph Mauz: Motte Maroni. Angriff der Schrebergarten-zombies
"The Brain Eaters", "Die Nacht der lebenden Toten", "Dawn of the Dead", "Resident Evil" oder "28 Days Later". Die Tradition des Zombiefilms ist so lang wie grauslich. Auf Hunger und Instinkt reduzierte zum Leben erweckte Tote gieren schon seit den 1930er Jahren nach den Kehlen ihrer Opfer und entbehren trotz allen Schreckens nicht einer gewissen Komik. Eben jene hat sich auch die Kinderliteratur zu Nutze gemacht, um die publikumswirksamen Untoten einer Literarisierung zu unterziehen. Selten wurde dies so gekonnt gelöst wie von Vorleseakrobat Christoph Mauz, der die notwendige Selbstironie des Horrors mit einer neuen Kinderbuch-Reihe kongenial auf die Spitze treibt: Gar beschaulich beginnt der Serienauftakt um Motte Maroni, Sohn eines Meeresbiologen auf Forschungsreise, der in den Sommerferien zwecks Aufsichtspflicht zu seinem Onkel Schurli ins Stammersdorfer Schrebergartenidyll gebracht wird. Ordentlich Lokalkolorit, zwitschernde Vögel, surrende Rasenmäher und stramme Hartplastik-Rehe können jedoch nur schwerlich ablenken von den abstrusen Begebenheiten, die sich des Nächtens ereignen: Abscheuliche, mysteriöse Klänge, die aus der Kolonie "Zur fidelen Reblaus" erschallen und Onkel Schurlis ethnologischer Forschungsschwerpunkt - "Übersinnliches von Transsilvanien bis Texas" - verzerren das gärtnerische Eldorado zu einem Setting des Grauens, das vor Aberwitz und Originalität nur so strotzt.
Einnehmend sympathisch skizziert Mauz seinen Helden Motte, der nach online Rücksprache mit seinem Papa dem schrägen Übel auf den Grund gehen will. Vor allem Gärtnervereinsobmann Traugott Korschinak mit seinem buckelnden Sekretär scheinen ihm im absoluten Streben nach perfekt glänzenden Kugelgrillern und akkurat gestutztem Gras verdächtig. Dass sich deren perfider Plan mittels willenloser Zombies die Garten- und schließlich Weltherrschaft an sich zu reißen ("bestellt auf der geheimen Geheimseite des geheimen Maori-Voodoopriesters Brian 'Two Face' Hupfberger") vor der Kenntnis der Leser*innen nicht allzu lang verbirgt, trübt die Spannung keineswegs. Ist man Motte, seinem Partner und Cousin Vladimir und dessen Mistkäfer KHM im Wissen um die größenwahnsinnigen Absichten stets voraus, bleibt die nötige Zeit, um Situations- und Anspielungswitz bis zum finalen Frühschoppen gebührend zu genießen. Durch die Rückführung der Zombietradition auf den mittlerweile verdrängten Voodoohintergrund wird Leichenfledderei und allzu Grausliches gekonnt umgangen und auf die eingeblendete Geschichte in der Geschichte beschränkt, die Hard-Boiled Monsterjäger Slim Shredder als fulminanten Nebenhelden einführt. So mancher nomen est omen-Schmäh mit den mitlesenden Erwachsenen und die Skurrilität aller Protagonist*innen bereichern die geglückte Doppelpersiflage auf Gärtnertum und Horrorfilm, die sich vor allem aus Mauz' kombinatorischem Geschick speist, einer Heimorgel schamanische Musik des Bösen zu entlocken, schwarze Magie in die Hände eines beleibten Schrebergärnters zu legen und Zombies ausgerechnet in Wien wandeln zu lassen. Die Dekonstruktion der Idylle durch den Horror scheint Mauz zu liegen – ab März nämlich geht es mit der Fortsetzung "Motte Maroni – Flossen des Grauens" dem vertraut klingendem Badeseeort "Podersiedel" an den Kragen …
Christina Ulm
>>> hier geht es zu den Kröten 2010