Kröte des Monats März
2008
Aus dem amerikan. Englisch von Birgitt Kollmann
Hanser 2008
272 S., € 17,40
Joyce Carol Oates: Nach dem Unglück schwang ich mich auf, breitete meine Flügel aus und flog davon
„Eine Weile war ich weg, und als ich zurückkam, war Mom nicht mehr da. Meine Schuld war´s nicht. Mir dürft ihr keine Vorwürfe machen.“ Mit diesen lakonischen Worten der fünfzehnjährigen Ich-Erzählerin Jenna beginnt der Roman, womit in beklemmender Weise das zentrale Moment der Handlung vorweggenommen wird: Bei einem Autounfall kommt Jennas Mutter ums Leben, sie selbst überlebt schwer verletzt. „Im Blauen“, so empfindet sie das durch Medikamente erleichterte Dahindämmern auf der Intensivstation, kann sie von sich wegschieben, was sie danach umso härter einholt: Das Gefühl, am Unfall und damit am Tod der Mutter schuld gewesen zu sein, weil sie ein Hindernis auf der Fahrbahn gesehen hat und ihr ins Lenkrad gegriffen hat. „Jetzt ist nach dem Unfall, Dad. Du kannst mir nicht mehr wehtun.“, diese Worte schleudert sie ihrem Vater, der von der Mutter getrennt war und eine neue Familie gegründet hat, entgegen, ihr bleibt nichts anderes übrig, als zu ihrer Tante und deren Familie zu übersiedeln, in einen anderen Staat, in eine andere Stadt, in eine neue Schule. Alle Versuche der neuen Mitschüler*innen, sich um sie zu bemühen, weist sie brüsk ab, auch die Zuneigung ihrer Verwandten kann sie nicht erwidern, zu tief sitzen Schmerz, Trauer und Schuld. Doch dann lernt sie Crow kennen, einen wilden tätowierten Burschen, der selbst einige Unfälle überstanden hat und auf den ersten Blick zu erkennen scheint, was mit ihr los ist. Crow scheint fix mit einem Mädchen namens Trina verbandelt zu sein, diese wiederum erklärt Jenna unvermittelt zu ihrer besten Freundin und zieht sie mit sich in einen Kreislauf von Abhängigkeit – auf unterschiedlichen Ebenen. Weder ihre Familie noch ihre Therapeutin kommen an Jenna heran, erst als die beiden Mädchen in eine lebensbedrohliche Situation geraten, kann sie sich aus ihren Abhängigkeiten befreien und findet in Crow einen Begleiter bei der Überwindung ihres Traumas. Sprachlich ungemein packend und dicht erzählt, arbeitet die Autorin mit eindringlichen Motiven wie Kälte und Schmerz, stets ganz unmittelbar am Erleben der Protagonistin orientiert. So sperrig der Titel dieses im amerikanischen Original 2006 erschienenen Jugendromans auf den ersten Blick scheinen mag, so unmöglich ist, sich dem Sog dieser außergewöhnlichen Geschichte zu entziehen.
Kathrin Wexberg
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