Kröte des Monats September
2007
Bloomsbury 2007
32 S.,
€ 14,-
Susie Morgenstern - Chen Jianghong: Ich werde Wunder vollbringen
Zaubern, das haben wir in diesem Sommer gelernt, kann eine heilsbringende Fähigkeit sein. Als solche wird es auch von Susie Morgenstern entfaltet, wenn sie kindliche Welteroberungsfantasien bis zur Vision göttlicher Allmacht steigert:
Ihr seht schon: Ein Gott will ich werden,
Der alles besser macht auf Erden.
Ausgehend von der hundertmal gestellten Frage, was er denn werden will auf dieser Welt, entlassen die beiden in Frankreich lebenden Künstler*innen ihre kindliche Hauptfigur in eine Insze-nierung lustvoll ausgespielten Größenwahns: Hier wird alles Unrecht getilgt und um ewigen Frieden gekämpft, hier werden Hungersnöte gebannt und Krankheiten geheilt. Hier lässt ein durchsetzungsfreudiges, selig lächelndes, bedrücktes und zorniges Ich gar die Toten erwachen: „Dann können sie Ball spielen und fröhlich lachen.“
Der anarchische Kindheitsmythos wird verkehrt, der Zauber des machtvoll erwirkten allumfassenden Glücks beschworen. Das anarchische Moment jedoch bleibt erhalten, denn nicht eine pastellerne Harmonie untermalt das Loblied des Zauberers; vielmehr wird die heile (im Sinn einer geheilten) Welt beschworen mit Bildmitteln der Apokalypse: Rot und Schwarz beherrschen die großformatigen Doppelseiten und liegen oftmals in wildem Streit.
Chen Jianghong, dessen Arbeiten gerade im Bilderbuchmuseum Troisdorf ausgestellt werden, arbeitet gerne auf sehr saugfähigen Untergründen, auf Reispapier oder gar Seide. Er lässt Farben ineinander rinnen und kontert mit zügig und dick aufgetragenen Pinselstrichen. Aus Flächen, Klecksen und Pinselstrichwirrwarr entsteht der Hintergrund, vor dem die vorgestellte Wirkmacht des Ich in naiv-kindlicher Art visualisiert wird. Die Kreativität und Üppigkeit der Gedanken wird dabei zum wilden Farbenspiel stilisiert.
„Alle Geheimnisse will ich erfahren“, stellt das Kind auf seinem Weg zur Vertreibung aller Sorgen fest. Und entscheidet sich letztlich doch für ein viel schlichteres Wunder:
Doch halt, da fällt mir etwas ein:
Es könnte vielleicht klüger sein,
Ich lass’ das mit dem Zaubern lieber bleiben
Und lerne erst das Lesen und das Schreiben.
Die kindliche Allmachtsfantasie wird ironisierend gebrochen. Der Zugang zu einer Welt der Weisheit jedoch mag sich gerade dadurch eröffnen.
Heidi Lexe
>>> hier geht es zu den Kröten 2007