Kröte des Monats April
2006
Aus dem Französischen von Barbara Egner
Esslinger atelier 2006
64 S., € 17,90
Jeanne-Marie Leprince de Beaumont / Anne Romby:
Die Schöne und das Biest
Das Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals veröffentlichte Märchen trägt schwer an seinem Schicksal: Zuallererst am unaussprechlichen Namen seiner Autorin, der in zahlreichen Sammlungen lieber gleich weggelassen wurde und über die Jahrhunderte hinweg zum weit verbreiteten Glauben geführt hat, die Geschichte vom erschreckend hässlichen und doch so geistvollen Ungeheuer und der herzensguten Schönen stamme aus anonymer Quelle. Bis Walt Disneys Unterhaltungskonzern sich heldenhaft des Märchens annahm und für musikalisch einschlägige Assoziationen sorgte, mit deren Hilfe nicht nur dessen Autorin, sondern auch das Märchen selbst der Gefahr des Vergessens preisgegeben wurde.
Umso erfreulicher, dass nun eine neu illustrierte Fassung der originalen Version vorliegt. Und auch wenn sich das Pathos der Geschichte in vielen der Bilder entsprechend niederschlägt, so bleiben wir doch gewahr vor singenden Tassen und Leuchtern. Vielmehr zeigt die französische Künstlerin auf faszinierende Weise Interesse an unterschiedlichen Materialien, die sie zur Bildgestaltung einsetzt (durchscheinende Blätter, Blüten, Fließe, Gaze- und Pressstoffe etc.), und unterstreicht damit den Eindruck, es mit einem sehr filigranen Wirklichkeits- und Wahrnehmungsgebilde zu tun zu haben. Kein Wunder, verbirgt das Biest, das von jenem Mann, der eine Rose im Schlossgarten brach, die Tochter als Pfand fordert, doch das Geheimnis seiner wahren Identität – mehr noch: Er ist dazu verdammt darauf zu hoffen, dass das schöne Mädchen ihn mit ihrer Liebe zu erlösen vermag. In großformatigen Bildern eröffnet sich eine schmucke, aber letztlich einsame Märchenwelt, deren artifizieller Charakter durch zahlreich angeordnete Tierdarstellungen unterstrichen wird. Das Biest wandelt ein wenig an das Phantom der Oper erinnernd durch diese Welt, in der allerlei schöne Künste nicht jene Errettung bringen können, die der Schönen als Bürde auferlegt werden. Die aus reiner Liebe erfolgte Erlösung zeigt sich kontrastreich in metamorpher Befreiung: Auf Schmetterlingsflügeln wird das liebende Paar auf den Weg ins neue Glück geschickt.
Heidi Lexe
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